Auch wenn ich es eigentlich nicht so mit Jahresrückblicken habe, muss ich feststellen, dass vor allem eine bestimmte Art von Musik im Jahr 2018 Großartiges hervorgebracht hat. Sei es nun Juse Ju, Marteria & Casper oder Chefket: Unaufgeregter Rap mit persönlicher Note war schon so etwas wie ein Ding, zumindest im deutschsprachigen Raum. Ein Ding, das in meinen Ohren wirklich gut funktioniert hat. In diese Reihe gesellt sich nun im noch ganz frischen Jahr auch Yassin, der den meisten wohl aus der Combo mit seinem Rap-Kollegen Audio88 bekannt sein dürfte.

Nun mag so manche*r bei der Ankündigung Yassins, mit „Ypsilon“ zum Jahresbeginn sein erstes Solo-Album zu veröffentlichen, gewisse Zweifel gehabt haben. Schließlich klappt das, was Künstler*innen im Kontext einer Combo oder Kollektivs ausdrücken und darstellen, nicht unbedingt auch solo. Doch auch im Fall Yassin kann ich beruhigt sagen: Experiment geglückt. Sogar noch besser: „Ypsilon“ ist dermaßen zugänglich, obwohl die teils sehr persönlichen und bedrückenden Texte Yassins durchaus mit mehreren Ebenen und Subkontexten aufwarten. Besonders hervorzuhebende Beispiele wären hier „1985“ und „Panzerglas“. Die Tracks kommen aber nicht unnötig verkopft rüber, sondern laden trotz ihrer vordergründig klaren Botschaft zum Grübeln ein. Ich persönlich finde den Umstand, über Gesagtes und Geschriebenes mit einem Erkenntnisgewinn mehrmals nachdenken zu können, sehr ansprechend. Musikalisch genuin hitverdächtig mögen diese Tracks zwar nicht sein, dafür wartet Yassin mit entsprechenden Features auf, um ein gutes Gleichgewicht zwischen musikalischem und inhaltlichem Tiefgang herzustellen. Während „Eine Kugel“ mit Audio88 und Casper schon fast ein bisschen nach Zynismus der Marke Zugezogen Maskulin klingt, besticht Yassin in „Nie So“ zusammen mit Mädness in puncto Gesang (!) und Pop Appeal.

Mit „Ypsilon“ liefert Yassin ein beeindruckendes Solo-Debüt, das im Grunde keine Wünsche offen lässt: deepe Texte und Tracks jeder Spielart, die runtergehen wie Butter. Zugegeben, das Album nimmt erst in der zweiten Hälfte so richtig an Fahrt auf, aber mehrmaliges Hören ist, wie bereits erwähnt, sowieso fast unumgänglich. Dass Yassin hier Lust auf mehr macht, steht außer Frage. Oder wie er abschließend im letzten Track „Ypsilon“ verlauten lässt: „Fick das Ende, ich fang gerade erst an.“ Na hoffentlich, ich nehme ihn beim Wort!

[Normale Musik 2019]