Wenn mich das Schreiben über Musik in einem Punkt weitergebracht hat, dann vor allem darin, musikalische Einflüsse abseits meiner bisherigen Interessen nicht nur zuzulassen, sondern besser kennen und schätzen zu lernen. Dass ich also mal Zugang zu einer Band wie Cadet Carter finden würde, hätte ich mir vor einigen Jahren noch nicht ausgemalt. Im Fall der Münchner Band ist es aber auch verdammt schwierig, ihrer Eingängigkeit zu entkommen. Entsprechend gingen die Jungs mit ihrem Debüt „Cadet Carter“ vor gut zwei Jahren ziemlich durch die Decke – und das hochverdient. Songs wie „Loose End“ oder „Settle Me Down” kriege ich bis heute nicht aus dem Kopf.

Entsprechend freudig erwartete ich den Nachfolger „Perceptions“, und da war ich mit Blick auf den Titel vermutlich nicht der einzige. Schon nach wenigen Riffs ist klar: Das sind immer noch Cadet Carter, die Cadet Carter-Dinge tun. Ab „Speed of Sound“, dem zweiten Song der Platte, bemerke ich dann doch kleine Veränderungen, die sich mit den folgenden Songs fortsetzen. Die Band hat ihre Punk-Elemente nochmal deutlich zugunsten des Pop Appeals herausgenommen – was für sich genommen nicht unbedingt schlimm ist. Doch obwohl mit dieser Entscheidung die Songwriting-Skills der Band umso mehr zum Ausdruck kommen, geht ihr damit ein Stück Einzigartigkeit verloren. Die erste Hälfte von „Perceptions“ entpuppt sich daher für mich eher als Sammlung poppiger Rocksongs, die mir eine Spur zu seicht daherkommen – auch wenn Stücke wie „Bad Few Weeks“ textlich extrem nachvollziehbar und damit nahbar sind. Die zweite Hälfte des Albums geht da schon besser rein, weil sie sich musikalisch stärker an das Debüt von 2018 anlehnt. Anspieltipp: „Dead Hands“.

Für Freund*innen eingängiger Musik irgendwo zwischen Emo, Rock und einer Spur Punk sind Cadet Carter ohne Frage noch immer klar die erste Wahl, auch wenn sich bei den Münchnern eine Tendenz zu sanfteren musikalischen Strukturen abzeichnet. Ist je nach dem vielleicht auch eine Frage der Gewohnheit. „Perceptions“ wirkt zwar ausgereifter und durchdachter, im Zweifel würde ich aber eher zum wirklich guten Erstwerk der Band tendieren. Aber am besten findet ihr das für euch selbst heraus.

[Uncle M 2020]