Obwohl ich noch nie ein besonders großer Indie-Fan war, trieb ich mich während meines Studiums überraschend oft in einem Freiburger Club herum, der mehrheitlich diese Musik spielte. Auch wenn das Publikum dort mitunter stumpf, eklig besoffen und pubertär war, ist das EL.PI nach wie vor ein Ort, mit dem ich viele schöne (und manch fiese) Erinnerungen verbinde. Besonders amüsant an dem Laden ist die Tatsache, dass ab etwa 2 Uhr gefühlt jeder Mensch innerhalb der Räume mit einem anderen rummacht und die Tanzfläche sich in ein kleines Zentrum der (körperlichen) Liebe verwandelt. Alkohol und andere Substanzen sind für diesem Umstand zwar mindestens stark förderlich, aber dennoch ist dieses schwitzende, sich küssende und singende Knäuel aus Menschen immer wieder faszinierend.

An diesem Ort hatte ich zudem meine erste bewusste Begegnung mit The Fratellis, es lief (natürlich) ihr unvermeidlicher Überhit „Chelsea Dagger“. Leider ist dieser Song, ähnlich wie „Seven Nation Army“ von den White Stripes, dank grölender Fußballfans fürchterlich verbraucht und abgegriffen. Entsprechend vorsichtig war ich, als mir Backseat aus Hamburg deren neue Scheibe „In Your Own Sweet Time“ ins Postfach (und später in den Briefkasten) beförderte. Um es kurz zu machen: Die Menschen von Backseat und vor allem The Fratellis haben mich überzeugt. Der Sound der Gebrüder Fratelli ist nicht nur extrem tanzbar, sondern kommt zu meiner großen Freude nicht arrogant-verhipstert rüber. Eingängig sind die Songs aber dennoch: „Stand Up Tragedy“ beispielsweise vereint alle Stärken der drei Briten, allerdings überzeugt mich „Advaita Shuffle“ noch ein bisschen mehr. An einigen Stellen schimmern sogar die Beatles und T.Rex durch, was dem Indie-Sound auf „In Your Own Sweet Time“ einen gewissen Retro-Charme verleiht. Unterstützung bei ihrem fünften Album bekam das Trio übrigens von Tony Hoffer, der neben sechs Grammy- und Mercury-Nominierungen bereits Kollaborationen mit Bands wie Beck, The Kooks, M83 und Belle & Sebastian vorzuweisen hat.

The Fratellis überzeugen auf „In Your Own Sweet Time“ durch musikalisches Feingefühl, gerade weil ihr Sound so gewachsen und selbstbestimmt klingt. Das ist insofern besonders erfreulich, als dass Sänger und Gitarrist Jon Fratelli im Promotext von Backseat mit folgenden Worten zitiert wird: „I’m not prodigious in the slightest – I’m a slow, slow learner. […] This album is the first one that finally feels like every single song is putting across exactly what I’d like to put across.“ Gut gesprochen, denn das hört man The Fratellis zu jeder Sekunde an. Ich hoffe nur, dass das EL.PI und viele weitere Clubs auch mal die neuen Songs des Trios spielen. Man muss ja nicht immer zu den gleichen Songs rummachen.


[Cooking Vinyl/Sony Music 2018]