Über das bedingungslose Abfeiern von Szene- beziehungsweise Genreklassikern habe ich mich bereits zu Genüge ausgelassen, deshalb spare ich mir eine lange Erörterung. Letztlich würde ich aber behaupten: Die Anerkennung des Einflusses einer solchen Band und deren musikalische Qualität sind subjektiv zwei völlig unterschiedliche Dinge – wenn allerdings beides stimmt, ist es umso besser und persönlich gewinnbringender. Viel schlimmer ist es dann doch, wenn große Modeketten auf einmal lizensiertes Merchandise der Genrepioniere vertreiben.

Das dürfte den Spermbirds hoffentlich nicht so schnell passieren. Auch wenn deren Shirts im Alltag nicht so omnipräsent sind wie die vier Black Flag-Balken, zählt die Band aus Kaiserslautern zum harten Kern (pun intended) der europäischen Punk- und Hardcore-Szene – und das seit nunmehr 35 (!) Jahren. Nun steht ihr neuntes Album „Go To Hell Then Turn Left” in den Startlöchern. Nicht nur die Veröffentlichung an sich ist ein Grund zur Freude, sondern vielmehr der Umstand, dass eine so altgediente Band noch so frisch und wütend klingen kann. Schon der Opener „Breathe Deep“ geht als rotzige Skatepunk-Nummer gut nach vorne und macht richtig Bock auf mehr. Mit dem Titeltrack „Go To Hell Then Turn Left”, der bereits vorab als Single veröffentlicht wurde, geht es schnell und melodisch weiter, und spätestens jetzt möchte man die Platte gar nicht mehr aus dem Abspielgerät nehmen. Besonders fett sind aber vor allem jene Songs wie „Agent Nine“, weil sich einen deutlich Dead Kennedys-Vibe durchblicken lassen. Den Preis für den wirklich geilsten Songtitel gewinnt hingegen das (auch musikalisch großartige) „If I Ever Find My Pants (Someone’s Gonna Die)“. Im Grunde fiele mir zu jedem Titel ein Lob ein, aber bevor das ausartet und vielleicht überzogen wirkt, formuliere ich es einfach so: „Go To Hell Then Turn Left“ ist sowohl in seiner Gesamtheit als auch im Detail einfach perfekt.

Ich bin fast geneigt zu sagen: Scheiß auf alles Neue, solange Bands wie die Spermbirds weiterhin so gute Alben veröffentlichen. Ganz so ernst meine ich es zwar nicht, keine Sorge. Allerdings sehe ich die Spermbirds nun ohne Frage als Referenz, die man nicht nur bedingungslos abfeiern kann, sondern auf die sich junge Bands gut und gerne beziehen können. Aber bitte nicht mit H&M-Shirts!

[Rookie Records 2019]