Politischer Rap. Zwei von Grund auf gute Sachen, die für mich eigentlich zusammen gehören. Leider ist es oft so, dass man sich entscheiden muss: Entweder fette Beats und Rap-Skills, dafür aber mit ziemlichen Kartoffeln am Mic. Oder aber klare Kante gegen diese Arschlöcher, dafür aber technisch eher naja. Bei diesem schmalen Grat dürften Waving The Guns für viele ein absoluter Glücksfall sein. Nach drei Download-Veröffentlichungen ploppte die Rap-Combo aus Rostock mit „Totschlagargumente“ 2015 beim Hamburger Qualitätslabel Audiolith auf. Der leicht prollige Antifa-Rap mit oldschooligen Beats traf den Nerv der Zeit, entsprechend groß war der Hype. Zwei Jahre später folgten der zweite Longplayer „Eine Hand bricht die andere“ sowie mehrere Club- und Festivaltouren. Dennoch, und ich kann mir diesen Umstand bis heute nur bedingt erklären, bin ich mit WTG nie richtig warm geworden. Wenngleich die Rostocker technisch genau jenen Rap zelebrieren, den ich absolut feiere, ging mir die Stimme von Front-Rapper Milli Dance schnell auf die Nerven. Für seine Stimme kann der Rapper natürlich nichts, aber das macht den Umstand nicht weniger bedauerlich.

Entsprechend gespannt, aber auch skeptisch war ich auf die Ankündigung Audioliths, dass Milli Dance zusammen mit Pöbel MC, der bereits bei einigen WTG-Features seine Skills beisteuerte, ein Album mit dem Namen „Soli-Inkasso“ veröffentlichen werde. Für mich die Gelegenheit, mich nochmal auf den Sound des WTG-Umfeldes einzulassen.

Zunächst die harten Fakten: „Soli-Inkasso“ umfasst elf Tracks, deren Beats und Instrumentals von befreundeten Künstler*innen gezimmert wurden (Tis-L, Ill Kosby, Platzpatron, China White, Dub Dilan, Pavel und Pöbel MC selbst). Und was soll ich sagen? Es funktioniert einfach wunderbar. Das Album ist trotz keiner allzu dramatischen Tempowechsel vielseitig und geht sofort ins Blut. Pöbel MC und Milli Dance haben sich in ihrer WTG-Zeit absolut eingegroovt, und das hört man vor allem textlich. Auch wenn die Zeilen der beiden lyrisch keinen allzu großen Wurf landen, fügt sich der Stil der beiden nahtlos in den Sound der Tracks. Zugegeben, mit Millis Stimme habe ich immer noch so meine Probleme, aber angesichts des wundervoll oldschooligen Sounds kann ich darüber an vielen Stellen hinwegsehen. Anspieltipp: „Rückkehr der Vernunft“. Die Single-Auskopplung „Sososo“ hingegen kann zwar textlich überzeugen, musikalisch haut mich der Track aber nicht gerade um. Kann Trap nicht endlich mal out sein?

WTG-Fans werden an „Soli-Inkasso“ ohne Zweifel große Freude haben, stellt der Longplayer doch eine konsequente und ausgereiftere Weiterentwicklung des Sounds der Rostocker Rap-Combo dar. Trotzdem bleibt der Kern (sprich: das Markenzeichen der Gruppe) unverändert: Dezent pöbelig, irgendwo zwischen Battlerap, Humor, Crewlove und linken Idealen. Mit „Soli-Inkasso“ dürfte das Duo (zumindest hoffe ich das) endlich eine Klientel erschließen, die sich außerhalb des klassischen Szene-Sumpfes aus Antifa-Klon-Kids mit New Balance, Gürteltasche und der halben Black Mosquito-Kollektion bewegt. Will sagen: Mit dem neuen Longplayer haben Pöbel MC und Milli Dance gezeigt, dass sie weitaus mehr können aus Parolen-Rap. Ich bleibe auf jeden Fall neugierig.


[Audiolith 2018]