Wie leitet man eine Rezension zu Pöbel MCs neuem Album ein, das auf den Namen „Bildungsbürgerprolls“ hört – um sich sogleich als ein solcher zu outen? Mit Adorno selbstverständlich! In Bezug auf politische Musik und deren hohes Potenzial an Wackness hatte sich dieser bereits sehr treffend geäußert: „Ich glaube allerdings, dass Versuche, politischen Protest mit der popular music, also mit der Unterhaltungsmusik zusammenzubringen, deshalb zum Scheitern verurteilt sind, weil die ganze Sphäre der Unterhaltungsmusik, auch wo sie irgendwie modernistisch sich aufputzt, so mit dem Warencharakter, mit dem Amüsement, mit dem Schielen nach dem Konsum verbunden ist, dass also Versuche, dem eine veränderte Funktion zu geben, ganz äußerlich bleiben […].“ Diese Einschätzung Adornos zum Charakter politischer Musik, die er 1968 im Gespräch mit dem Fernsehsender Arte äußerte, dürfte heutzutage so manche*n halbwegs politische*n Künstler*in fronten – vielleicht auch gerade deshalb, weil der Philosoph mit seiner Aussage ziemlich richtig liegt. Und ohne jetzt zu starke Parallelen ziehen zu wollen: Das besagte Zitat ist in gewisser Weise das Prinzip von Pöbel MC – aber eben nur in gewisser Weise. Schließlich äußerte sich der Berliner Rapper bereits auf seiner letzten EP „Pöbel Sports Tape“ durchaus politisch, verzichtete aber bewusst auf bauchlinke Plattitüden oder hochgestochene Sprache. Und ob der Rapper seine Musik als popular bezeichnen würde, ist die andere Frage. Vielmehr, und dieses Prinzip perfektioniert Pöbel MC auf seinem neuen Longplayer „Bildungsbürgerprolls“ gewissermaßen, kokettiert der Rapper ganz bewusst mit vulgärer Sprache und einem entsprechenden Habitus, um autoritäre Sprachpolizei-Linke nicht nur zu provozieren, sondern ihnen auch den Spiegel vorzuhalten. Manche Feuilletonist*innen mögen darin (gerade in Bezug auf den Albumtitel) eine ironische Form des Klassenbewusstseins sehen, für mich zeugt das Ganze vor allem von Reflektiertheit. Widersprüche bis zu einem gewissen Grad aushalten – eine Form der Selbstkritik, die gemeinhin stark unterschätzt wird.

Vor allem ist „Bildungsbürgerprolls“ aber eines: musikalisch großartiger Rap, der gut knallt und einen Flow hat, der den Sound der Vorgänger-EP nicht nur fortführt, sondern sogar noch übertrifft. Besonders der Titeltrack, der mit „Patchworkwendekids“ bereits als Doppel-Single veröffentlicht wurde und die Grundrichtung für die anderen Tracks vorgibt, zeigt eindrucksvoll, dass Pöbel auch auf Albumlänge zu überzeugen weiß. Gutes Stichwort: Überzeugt ist der Rapper von sich schon fast übermäßig, aber wenn er sich als selbsterklärter Bildungsbürgerproll für eine konsensuale und emanzipatorische Sexualität und gegen sexistische Macker (von denen es im Rap, aber auch gesamtgesellschaftlich leider mehr als genug gibt) positioniert, ist mir das mehr als recht. Insofern ist „Bildungsbürgerprolls“ keine schwülstige Utopie, vor allem eins: musikalisch großartig, ein bisschen dicke Hose und auf ehrliche Weise pragmatisch. Für mich ein heißer Anwärter auf das Rap-Album des Jahres – und das schon jetzt!

[Audiolith Records 2020]