Reggae und ich, das war schon immer etwas schwierig. An diesem Umstand wird wohl auch „A Fire On The Inside“, die aktuelle Platte des Trios Cressy Jaw nichts ändern. Das will ich der Band aber gar nicht ankreiden, schließlich ist es auch nicht ihre Aufgabe, mich von einer Musikrichtung zu überzeugen, mit der ich noch nie warm wurde. Ich muss aber zumindest anerkennen, dass der Dreier aus Gießen musikalisch durchaus gute Songs zu schreiben weiß. „A Fire On The Inside“ verarbeitet neben Reggae eine Vielzahl weiterer Einflüsse wie Grunge, Blues, Indie und ein wenig Punk. Würden die Jungs noch Rap-Parts einstreuen, könnten sie durchaus als die kleinen Brüder der US-amerikanischen Gruppe 311 durchgehen. Ich fühle mich schlagartig in die frühen 2000er zurückversetzt und muss sofort an Kinnbärte, weite Cargo-Hosen und Gel-Igel-Frisuren denken.

Auch textlich erinnern Cressy Jaw irgendwie stark an die frühen und mittleren 2000er, als sich nicht nur Punk-Bands an George W. Bush abarbeiteten. Ein Umstand, der in meinen Augen irgendwann überhandnahm und angesichts mangelnder Lösungsvorschläge und gebetsmühlenartiger Wiederholungen immer mehr zur Pseudokritik und Konvention verkam. Die Texte zu „For A Holy Land“ könnten glatt aus dieser Zeit stammen, wenngleich die Band hier einige valide Punkte anspricht, die im Grunde auf jede Art von Krieg zutreffen. In eine ähnliche Kerbe schlägt „Criminals In Action“, das ich aber zunächst deutlich problematischer fand: „They’ve got their fingers everywhere, but they never leave a print | Please stay calm now | They keep the power safe right in their palms”. Zeilen wie diese suggerieren, es gäbe überall geheime Mächte und unangreifbare Eliten, die die Geschicke der Welt steuern und für deren Übel verantwortlich und damit die wahren „criminals in action“ seien. Mir ist klar, dass ein Songtext keinen Anspruch auf umfassende und elaborierte Kritik erfüllen kann, aber das ist für mein Empfinden doch sehr verkürzt. (Anmerkung: Nach einer Rückmeldung vonseiten der Band kann dieser Vorwurf jedoch insofern entkräftet werden, als dass Sänger Alex während eines längeren Aufenthaltes in Nicaragua dort mit krassem Antiamerikanismus vonseiten der Bevölkerung konfrontiert war – vor dem Hintergrund der Verbrechen, den rechte Diktaturen und CIA dort und in weiten Teilen Mittel- und Südamerikas begangen beziehungsweise gebilligt hatten. Entsprechend sei der Song als Aufforderung zu verstehen, Machtstrukturen und Informationen stets kritisch zu hinterfragen.)

Cressy Jaw bieten musikalisch eine schöne Abwechslung, die auch nach mehreren Durchläufen noch Spaß macht. Der Sound des Trios ist nämlich durchaus detailverliebt und vor allem eins: gut produziert. An dieser Stelle nochmal fette Props für den vor einem Jahr verstorbenen Indie-Produzenten Guido Lucas (Scumbucket, Blackmail, Donots). Besonders stark ist die Band allerdings in Momenten, in denen sie zwar politisch ist, aber vor allem persönliche Geschichten erzählt. „Silver Shadow“ ist hier ein gutes Beispiel, vielleicht liegt es auch primär an der Erzählperspektive.

„A Fire On The Inside” unterhält eine knappe Stunde und überzeugt musikalisch, wie bereits erwähnt, auch beziehungsweise erst recht nach einigen Durchläufen. Wenngleich die Texte eine kritische Lektüre verlangen (also eigentlich ganz im Sinne der Band), kann ich die Platte der Gießener empfehlen.

[Uncle M 2018]