Als „ausgefallen“ würden sich so einige Bands bestimmt selbst beschreiben. Auch beliebt: Der Verweis, man könne und wolle die eigene Musik in keine Schublade stecken, schließlich schränke das die Kreativität ein. Meiner Erfahrung nach ist bei solchen Beschreibungen Vorsicht geboten, da viele gerade junge Künstler*innen hinter solchen Aussagen gerne eine gewisse musikalische Unreife verstecken. Letzteres ist in der Tat absolut nichts verwerfliches, aber der Drang, mangelnde musikalische Erfahrung mit aufgeblasener Rhetorik zu kaschieren, nervt mich auf Dauer doch ein wenig. Nun ja, eigentlich kann man den Künstler*innen kaum einen Vorwurf machen, sind sie schließlich denselben anstrengenden Selbstvermarktungsmechanismen einer gnadenlosen Musikindustrie unterworfen, und sei das Indie-Label noch so klein.
Entsprechend selten habe ich das Gefühl, dass es eine Band wirklich so abgefahren-genial ist, wie sie tut und da keine Planlosigkeit dahinter steckt. Biru Baby, eine Band aus einer der abgeschiedensten Ecken Norwegens, ist allerdings viel mehr als angefahren und genial. Was genau, das vermag ich nicht wirklich zu sagen. Ich werde aus dem Sound des weiblichen Trios nicht so recht schlau, meine das aber nicht negativ. „Ancient Call“, das neue Album der Band, ist dermaßen exzentrisch, bizarr und doch geil, dass es unmöglich ist, konkrete Referenzen aufzuzählen. Der Sound liegt irgendwo zwischen Die Antwoord und Animal Alpha, aber das beschreibt es nicht ansatzweise. Traditionelle samische Musik, Metal, Synthesizer, Autotune und noch viel mehr schmeißen Biru Baby in den Mixer und drücken auf den Knopf. Was dabei herauskommt, ist komisch, aber eine echte Gaumen- beziehungsweise Ohrenfreude. Auch in puncto Optik beweisen die Norwegerinnen ein Händchen für verrückte Genialität, schließlich haben sie für ihre Songs selbst Videos produziert, so zum Beispiel für „Darkness of Sunshine“. Ein Titel jedoch bekomme ich seit Wochen nicht aus meiner Hirnrinde: „Emo Gonna Overload“, welches von ihrer Live-Begleitung Hell-G gefeaturet wird, ist einfach nur von einem anderen Planeten. Punkt.
Kurzum: Wer mal etwas wirklich (und damit meine ich wirklich!) Abgefahrenes hören will, sollte sich „Ancient Call“ unbedingt auf die musikalische To-Do-Liste packen. Wollte ich es abgedroschen ausdrücken, würde ich bei Biru Baby anmerken, dass Genialität und Wahnsinn erstaunlich nah beieinander liegen. Aber in diesem Fall sind beide Worte ein und dasselbe. Und geil obendrein!
[Frisk F Music 2018]