In jedem Genre gibt es eine Handvoll Bands beziehungsweise Künstler*innen, mit denen man nie verkehrt liegt. Sicher, in jeder Szene gibt es teils hochgradig alberne Abgrenzungsmechanismen, die schon fast in Identitätspolitik enden – beispielsweise der Deathcore-Hype vor ungefähr zehn Jahren und dem damit verbundenen Hass auf alles, was irgendwie „Emo“ und damit zugleich „schwul“ oder „verweichlicht“ war. Nichtsdestotrotz wird mir wohl kaum wer widersprechen, wenn ich beispielsweise unter Hardcore-Kids die herausragenden Minor Threat in den Himmel lobe – vorausgesetzt, die besagten Kids kennen diese Band überhaupt noch. Sollte dem nicht so sein, gehören sie wahrscheinlich zu einer jüngeren Generation, die mit anderen Bands aufgewachsen ist. Eine davon dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit die kalifornische Band Lionheart sein. Zugegeben, mir waren die Jungs bis vor zwei oder drei Jahren auch nur namentlich ein Begriff. Als ich sie dann einmal im Vorprogramm von Get The Shot und Nasty erleben durfte, war ich ziemlich geplättet von der Energie, die sie live versprühen. Allerdings – und an diesem Umstand dürften nicht allein Nasty schuld sein – habe ich selten so ein ekliges Proll-Publikum erlebt. Sprüche wie „Homo“ oder „Fotze“ waren im Publikum eher die Regel statt die Ausnahme. Nun kann man einwenden, dass sich eine Band ihr Publikum nicht immer aussuchen kann. Dass aber bestimmte Spielarten von Hardcore seit Jahren ein Hort von Mackertum, Sexismus und Homophobie sind, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Dass die Bands das vermeintlich nicht wissen oder einfach ignorieren, macht diesen Umstand nicht besser.

Insofern waren Lionheart immer ein wenig eine Art „guilty pleasure“ für mich: Musikalisch kicken die Jungs wirklich brutal gut, mit Blick auf meine Live-Erfahrungen mit der Band war diese trotz ihrer guten Performance ein Inbegriff von Dicke-Hose-Hardcore. Trotzdem lief ihre letzte Platte „Welcome To The West Coast II“ so einige Male durch meine Kopfhörer, und die offensichtlichen Qualitäten der Band werden nicht nur Fans bestätigen können beziehungsweise müssen: Es gibt wohl kaum eine andere Band, die dermaßen Groove und Metal in Hardcore packt, ohne dabei wie ein Hatebreed-Abklatsch zu klingen. Lionheart verteilen auch auf ihrem neuen Album „Valley of Death“ Schellen bis zum get no und knüpfen damit hörbar an das Vorgängeralbum an. Wer letzteres gefeiert hat, wird auch mit der neuen Scheibe nicht enttäuscht. Ein besonderes Highlight ist ohne Frage „Rock Bottom“, für das kein Geringerer als Stick To Your Guns-Shouter Jesse Barnett sich die Seele aus dem Leib brüllt. Richtig dick!

„Valley of Death” ist für Fans der Band und jene groovigen, fetten Hardcores eine denkbar sichere Nummer. Warum die Kalifornier für viele Hardcore-Kids eine Konsensband sind, muss definitiv nicht mehr erklärt werden. So manche*r, und diese Kritik kann ich gut nachvollziehen, wird Lionheart auch auf ihrem neuen Album zu eindimensional und subtil prollig finden. Cleane Gesangsparts oder übermäßige Melodien kann man sich gleich abschminken, aber das ist in Ordnung. Lionheart machen das, was sie wirklich gut beherrschen, einfach immer noch. Und werden daran musikalisch hoffentlich weiterhin festhalten. Wenn sie jetzt noch live korrekte Ansagen gegenüber den beschissenen Testo-Alphamännchen im Publikum machen (was Get The Shot auf besagtem Konzert damals getan haben) und damit dazu beitragen, dass auch mal Frauen nach vorne können, ohne Angst um ihre Kauleiste haben zu müssen, wäre ihnen meine Gunst gewiss.

[Arising Empire/Warner 2019]