Singer/Songwriter mit Akustik-Klampfe, da scheiden sich wohl die Geister. Während diese Art der Musik seit einigen Jahren gerade unter Punker*innen einen regelrechten Hype erlebt, bin ich davon hin- und hergerissen. Klar, es gibt da echte Perlen wie Frank Turner, Brian Fallon oder Mike Scott, aber insgesamt nimmt das gerade ein wenig Überhand. Entsprechend kritisch blickte ich auf das erste „richtige“ Solo-Album Nathan Grays, seines Zeichen Frontsänger der großartigen Boysetsfire. Kein anderer prägte die zutiefst politischen Post-Hardcore-Legenden so sehr mit seiner variablen Stimme. Ein Erfolgsrezept, dass bei zwei weiteren Bands, nämlich I Am Heresy und The Casting Out, leider nur bedingt aufgehen sollte, bestanden beide Bands schließlich nur einige Jahre. Einer der Gründe für die Auflösung: Gray wolle sich verstärkt auf Solo-Projekte konzentrieren. Logischerweise legte er damit die Erwartungshaltung für seine Fans entsprechend hoch.
Gerade für mich stellte sich die Frage: Warum noch ein Fast-Alt-Punker, der ein Akustik-Solo-Album auf den Markt wirft? Und nach ein paar Durchläufen von „Feral Hymns“ muss ich sagen: Nun ja, weil es Leute wie Nathan Gray einfach verstehen, großartige Musik zu machen, sei sie nun mit Geschrei und verzerrten Gitarren oder eben akustisch mit gezielten Piano- und Streichereinsätzen. Letzteres ist im Grunde die reduzierte, aber bestens funktionierende Quintessenz des Albums. Manch eine*r wird sich an diesem Sound zunächst stören, wird aber überrascht sein, wie wenig es braucht, um Songs mit Atmosphäre zu füllen. Grays gewaltige Stimme tut da natürlich ihr Übriges. Besonders gut gelingt ihm dieses Kunststück in Songs wie „Quixote’s Last Ride“ und „Ebbing of The Tide“. Und diese Produktion! Hier beweist Bouncing Souls-Gitarrist Pete Steinkopf, wie sehr er ein Händchen für Grays Sound hat.
„Feral Hymns“ erzeugt eine Art Melancholie, die beklemmend und schön zugleich ist. Bestes Beispiel ist hierfür wohl „Damascus“, bei dem ich sogar anfangs ein wenig R.E.M. heraushöre. Sobald jedoch die letzten Töne von „Feral Hymns“ verklungen sind, überkommt einen diese merkwürdige Leere. Ich möchte das Album dann einfach immer wieder und wieder anhören. Gemessen an meinen Erwartungen, die ich zuvor an das Album hatte, bin ich wirklich nachhaltig beeindruckt. Eine bereits lange komplett ausverkaufte Deutschland-Tour spricht da wohl absolut für sich.
[End Hits Records 2018]