Nimmt man Punk und seinen Anspruch beim Wort, darf ersterer bekanntlich alles. Dass die Realität leider oft anders aussieht, ist eigentlich ziemlich traurig. Gerade im subkulturellen Kontext hat Punk einen teils so starken Abgrenzungsreflex entwickelt, dass das identitäre Gehabe der Szene oft ziemlich faschistisch anmutet. Oder um es weniger zugespitzt zu sagen: Ich habe ironischerweise bisher wenige Subkulturen erlebt, die mitunter so intolerant sind wie Punk. Die Berliner Punk-Band Halbstark hat das in ihrem Song „Punkdiktator“ ziemlich gut auf den Punkt gebracht.

Umso mehr freue ich mich, dass es doch noch Bands gibt, die eben nicht „punk by the book“ sind, sondern Musik machen, die etwas abseits der szeneintern festgelegten Hauptstraße fährt. Dezolat aus München sind in dieser Hinsicht sicher ein spannender Newcomer. Um es gleich vorweg zu sagen: Zu einhundert Prozent treffen die Jungs meinen Geschmack zwar nicht, aber ihre Herangehensweise auf ihrem Debüt „Fassade“ finde ich sehr ansprechend. Der minimalistische Post Punk-Sound, der nur von Gesang, Schlagzeug und Gitarre getragen wird, erinnert stark an die frühen 80er Jahre und macht gerade aufgrund seines rumpelig-garagigen Charakters so authentisch. Textlich offenbaren Dezolat, dass sie einige Platten von Künstler*innen der Hamburger Schule in den Regalen stehen haben dürften. Weinerlich oder gefühlsduselig ist hier nichts, vielmehr zeichnen sich die verkopften Texte durch ihre Direktheit und trockenen Sarkasmus aus.

Dezolat ist mitnichten eine Band, die ums Verrecken gefallen möchte, dafür ist „Fassade“ einfach zu sperrig. Wer aber keine Berührungsängste mit minimalistischen Rumpel-Sounds der 80er hat und findet, dass Punk nicht immer nach NOFX klingen muss, sollte den Münchnern eindeutig mehr Gehör schenken.

[Ragged Glory Records 2018]