© Arrested Denial
Sie sind der Fleisch gewordene Punk-Mittelfinger gegen Nationalisten aller Länder: Arrested Denial aus Hamburg. Sänger und Gitarrist Valentin hat mit uns ein wenig über die Band und das neue Video zu „Bis hier, bis heute“ geplaudert.
Moin, willst du euch kurz vorstellen?
Hi Max! Wir sind Arrested Denial aus Hamburg, uns gibt es seit Mitte 2009. Musikalisch reden wir hier im Wesentlichen von melodisch geprägtem Punkrock mit einigen 60er Jahre Ska-Einflüssen, sowie ein bisschen dies und ein bisschen das. Mittlerweile haben wir drei Alben und eine Split 7 Inch veröffentlicht, aktuell tingeln wir gerade mit unserer neuen Platte „Frei.Tal“ durch die Lande, welche im Juli 2017 auf Mad Butcher Records erschienen ist.
Erzähl uns was über das neue Video zu „Bis hier, bis heute“.
„Bis hier, bis heute“ ist das dritte Video zum aktuellen Album. Nachdem der Vorgänger „Nationalisten aller Länder“ einer der Polit-Songs war, haben wir uns hier also wieder für eine unserer Emo-Nummern entschieden. Wir halten die Videos immer gerne eher realistisch, das heißt irgendwelche epochalen Machwerke wie, äh, nehmen wir doch mal „Bed of Roses“ oder „November Rain“, wird es von uns wohl eher nicht geben.
Wobei, wenn wir das Budget hätten könntet ihr euch auf was gefasst machen, haha. Aber nein, das sind ja auch alles DIY Clips die wir komplett selber basteln, somit hat das technisch auch seine Limitierungen. Wir haben uns für diesen Clip durch unser Videoarchiv geackert, einen Zusammenschnitt aus Aufnahmen der letzten 3-4 Jahre, also seit dem letzten Album, gemacht und dem Ganzen einen schönen Super 8 Look verpasst. Wir sind ja relativ viel rumgekommen und ich selbst habe eigentlich auch immer mindestens eine Kamera dabei, somit haben wir einen recht umfangreichen Fundus an Material. Der Songinhalt geht natürlich noch etwas weiter, aber es hat thematisch einfach gut gepasst, das mit ein paar netten Szenen zu unterlegen.
Welche Bands bzw. Künstler*innen hatten maßgeblichen Einfluss auf euren Sound?
In erster Linie sind das wohl die zuvor erwähnten Early Reggae Geschichten wie The Maytals, Desmond Dekker und Konsorten, also früher Ska bis 1968, -69. Speziell die mehrstimmigen Gesangslinien des Genres haben mich doch sehr beeinflusst. Das zieht sich bei uns durch viele Songs, nur eben nicht wie bei Jamaikanischen Gesangsgruppen auf die Vocals beschränkt, sondern vermehrt im Abgleich mit Leadgitarren und dezenten Orgelparts. Im Punkbereich kann man vermutlich noch die Bouncing Souls und die früheren Rancid und Operation Ivy Geschichten nennen. Ansonsten sind es Songwriting-technisch neben diversem Metal-Kram eher Sachen wie Live, Tom Petty, Bob Dylan, Powderfinger etc. die mich geprägt haben. Ach ja, und Roxette natürlich, und das ist durchaus ernst gemeint.
Was hat die Hamburger Szene – abgesehen von euch – noch zu bieten?
Da bin ich um ehrlich zu sein nicht so wahnsinnig up to date. Die bekannteren Bands wie Helloween, Gamma Ray oder Running Wild kennt man ja, somit muss ich die hier jetzt nicht extra pushen. Aber Haare beiseite, in Hamburg ist der Fokus ja gefühlt doch etwas mehr auf Krawall- und Rumpel-Punk, was jetzt nicht so meine Welt ist, wir sind ja doch vergleichsweise Easy Listening. Bolanow Brawl zum Beispiel sind eine coole Streetpunk-Truppe. Und seit kurzem gibt es eine echt gute Glatzenband namens Battleship. Das ist sehr Ami-lastiger Oi! und die sind auch live nett anzuschauen, was bei vielen Bands des Genres ja vor lauter vermeintlichem Realness-Faktor manchmal etwas schwierig ist.
Frei.Wild oder Xavier Naidoo – wer ist der größere Schmock?
Ich hätte das an deiner Stelle gar nicht als Suggestivfrage gestellt. Bei dem ein oder anderen Ansprechpartner hätte die Antwort ja durchaus ziemlich unterhaltsam ausfallen können. Musikalisch finde ich beides ne Vollkatastrophe, aber von der – nennen wir es mal – „gesellschaftlichen Auswirkung“ her, auf die du wohl hinaus willst, bin ich mir nicht so ganz schlüssig, was ungünstiger ist. Sicherlich gehen die Süddeut… – äh – Italiener viel gezielter und direkter vor, da deren ganze Image- und Marketing-Strategie komplett auf dieser „Ich bin der missverstandene, stolze Underdog und kämpfe gegen die da oben“-Nummer aufbaut. Das zieht eben immer ziemlich viele Bauern und Halbstarke, da es denen wohl so etwas wie ein dringend benötigtes Wir-Gefühl vermittelt. Und wenn dieses dann mit diesem latenten Patriotismus vermengt wird, dann ist das schon ziemlich schwierig und beflügelt eine gesellschaftliche Entwicklung, die ich persönlich ziemlich fatal finde. Gerade weil es eben nicht offen und stramm rechts ist, hat es eine viel flächendeckendere Wirkung. Aber da steht diese Kombo für mich eigentlich auch stellvertretend für alles, was irgendwie unter Deutschrock fällt. Und der andere Verschwörungstheoretiker, nun ja. Der ist ja eher in einer Zielgruppe etabliert, die ich als nicht wirklich politisiert einsortieren würde. Daher dürften diese ganzen wirren Aussagen, die der am laufenden Meter raushaut, vermutlich etwas weniger meinungsbildende Prozesse bei den Konsumenten auslösen. Aber hier finde ich es eben erschreckend, dass es eine so breite Schicht in der Bevölkerung gibt, der das offensichtlich komplett egal ist. CD und Konzertkarte werden trotzdem gekauft. Das sind dann eben diese Leute die sagen: „Ja, habe ich auch gehört, finde ich auch eher komisch und verstehe ich alles nicht so ganz, aber ich mag halt die Musik total gerne“. Wir sind in der – wie er das immer so schön nennt – „Deutschland-GmbH“ also so weit, dass jemand über Jahre hinweg in einer breiten Öffentlichkeit äußerst fragwürdige Dinge äußern kann, ohne dass dies zu nennenswerten negativen Konsequenzen für ihn führt. Und das ist nicht gerade beruhigend.