Auch wenn sich das auch in anderen Ländern und Kulturkreisen beobachten lässt, sind Deutsche vor allem in einem Punkt für eindeutig Weltmeister: Herumopfern. Keiner anderen Gruppe geht es so vergleichsweise gut, dennoch scheint jede*r in Deutschland zu jammern. Seien es Spritpreise, die Auswahl im Bio-Supermarkt oder der Wert der Eigentumswohnung, der durch Geflüchtete jetzt ach so krass absinken soll – diese Art Genöle auf höchstem Niveau bei gleichzeitiger Gewissheit, sich auf der „richtigen Seite“ zu sehen, ist irgendwie etwas wirklich Deutsches.

Diese verzerrte Wahrnehmung, sich trotz der eigenen zahlreichen Privilegien als Opfer zu fühlen, nehmen van Kraut auf ihrem neuen Album „Zäune aus Gold“ wunderbar unaufgeregt auf’s Korn. Der Titel der Platte sagt in dieser Hinsicht eigentlich fast schon alles, Titel wie „Gated Community“ oder „Transitzone“ sprechen aber eine ebenso klare Sprache. Während das Hamburger Duo musikalisch eher reduziert unterwegs ist, untermauern sie ihren Indiepop mit bissigen, aber zu keiner Zeit moralisierenden Texten. Auch wenn die Namen der insgesamt neun Albumtitel den Impetus der beiden Musiker bereits erahnen lässt, ist mir seit langem kein so implizit wie explizit politisches Indiepop-Album mehr untergekommen. Keine bauchlinken Parolen, kein Anspruch an nichts Geringeres als die Revolution – nur eine ernstgemeinte Abrechnung mit einer verwöhnten Gesellschaft, die sich ihrer Doppelmoral oftmals gar nicht bewusst ist.

Fassen wir zusammen: van Kraut präsentieren mit „Zäune aus Gold“ genau das, was der Titel verspricht – allerdings in einem musikalisch klaren Pop-Gewand. Treffend böse, direkt und trotzdem eingängig. So kann politischer Pop klingen, ohne den abgedroschenen Begriff „Gesellschaftskritik“ bemühen zu müssen. Meine persönliche Pop-Überraschung des Monats.

[DIAN Recordings 2019]