Man muss nicht unbedingt in Berlin leben, um zu erkennen, dass die 90er und frühen 2000er ein (zumindest quantitativ) eindrückliches Comeback erleben. Vor allem musikalisch beziehen sich immer mehr Bands und Künstler*innen auf zeitgenössische populäre Musikstile.

Gar nicht erst das Jahrzehnt ihrer musikalischen Sozialisation verlassen haben zum Beispiel Cutthroat aus Los Angeles. Seit einigen Jahren prügelt sich der Vierer durch die US-Hardcore-Landschaft, wobei die Mitglieder diverse und durchaus namhafte Szene-Referenzen vorweisen können. Ich habe die Jungs vor einem guten Jahr im Vorprogramm von Iron Reagan und Sick Of It All erleben dürfen, das war schon einigermaßen fett. Auf Platte, und dieser Umstand ist irgendwie schade, holen mich die Kalifornier allerdings nicht so richtig ab. Ihre neue EP „Reflekt“ (mit „k“, weil das so schön nach 90ern klingt) wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen – und das nicht allein aufgrund des Covers. Neben einem metallischen Hardcore-Grundgerüst setzen Cutthroat auch auf ihrem neuen Release auf Crossover und erinnern damit stark an eine metallischere Version von Suicidal Tendencies. Auch wenn man von den Jungs sicher nicht erwarten kann, dass sie das Rad neu erfinden, wäre da durchaus mehr drin gewesen. Die jahrelange Erfahrung der Bandmitglieder in den angeführten Genres ist zu jedem Zeitpunkt hörbar, wirkt aber trotz des fetten Grooves in seiner Art irgendwie etwas angestaubt. Die etwas dumpfe Produktion tut da leider ihr Übriges, sodass „Reflekt“ wohl nicht lange in meiner Playlist bleiben wird. Ein kleiner Trost: Ich kann mir Cutthroat immerhin guten Gewissens noch live anschauen.

[Demons Run Amok 2020]