Folk und ich, das ist so eine Sache. Aufmerksamen Leser*innen dieses Blogs wird nicht entgangen sein, dass die Messlatte, mich von der besagten Musikrichtung zu überzeugen, doch einigermaßen hoch ist. Wenn es also ein Folk-Release bis zu einer Review schafft, will das schon was heißen. Der Künstler, von dem ich in diesem Kontext spreche, ist der Ire David Keenan. Schon der Titel seines Debütalbums „A Beginner’s Guide To Bravery“ lassen erahnen, dass sich der junge Musiker mit „klassischen“ Ängsten der Adoleszenz auseinandersetzt. Der Pressetext zu seiner Platte unterstreicht diesen Eindruck in schon fast klischeehafter Weise: Getrieben von musikalischer Abenteuerlust verlässt Keenan seine Heimatstadt Dundalk gen Liverpool, wo er sich mit Straßenmusik verdingt und zwischen billigen Hostels und Großstadtmisere seine Inspiration findet. Das überaus Bemerkenswerte ist nun allerdings, dass seine Musik beziehungsweise die Songs seines Debütalbums so gar nicht überästhetisiert oder aufgesetzt klingen – im Gegenteil. So zeitgemäß und alternativ hat wohl kaum jemand dieser Tage Folk interpretiert. Bezüge zu Größen wie Damien Rice oder gar Frank Turner („Unholy Ghosts“) sind zwar hörbar vorhanden, den Grundstein für seinen Sound legt Keenan aber definitiv selbst. Egal ob es sich dabei um das hymnische „Good Old Days“ oder das großartig ausladende „Love In A Snug“ handelt: Keenan überzeugt nicht nur durch seine musikalische Differenziertheit, sondern nicht zuletzt durch seine lyrische Herangehensweise in Bezug auf seine Texte – was sich letztlich wieder in der musikalischen Ästhetik widerspiegelt und „A Beginner’s Guide To Bravery“ als Gesamtwerk so einzigartig macht. Oder in anderen Worten: authentisch und zugleich ambitioniert, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.

Obwohl Keenan gerade mal Mitte Zwanzig ist, liefert der Ire ein überaus bemerkenswertes Erstwerk ab – das in Zukunft zu toppen wird sicher nicht ganz leicht, auch wenn sein musikalische Genie diesbezüglich sehr zuversichtlich stimmt. Zumindest lassen seine Worte Anlass dazu: „Art heals, that’s why I pursue it. It gives joys, insights and reliefs from the many madnesses that come and go.”

[Rubyworks 2020]