2015 war in der Tat kein einfaches Jahr für The Ghost Inside. Am 19. November stieß ihr Tourbus auf dem Weg nach Arizona mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Die Fahrer beider Fahrzeuge starben bei dem Unfall, die Bandmitglieder im Bus wurden teils schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Drummer Andrew Tkaczyk verlor sogar sein rechtes Bein. Einem Spendenaufruf ihres Labels Epitaph folgte eine überwältigende Anzahl von Menschen, darunter auch Terror-Frontmann Scott Vogel, der in der Vergangenheit nicht das beste Verhältnis zu der Band aus Los Angeles hatte.

Diese Bestürztheit über Genregrenzen und persönliche Differenzen hinaus ist nicht zuletzt durch das ehrliche und aufrichtige Auftreten der Gruppe um Jonathan Vigil zu erklären. Mit Alben wie „Get what you give“ gelang es ihnen, Leidenschaft und intime Gefühle in teils melodische, teils brachiale Songs zu verpacken, ohne übermäßig pathetisch zu wirken. Auf „Dear Youth“, welches gut ein Jahr vor dem tragischen Unfall über Epitaph veröffentlicht wurde, spüre ich von dieser Leidenschaft nicht mehr allzu viel. Zwar geben sich die Jungs allerlei Mühe, Härte und Gefühl in ihren Songs zu bündeln, ganz gelingen will ihnen dies aber nicht. Wie auch beim Vorgängeralbum saß Jeremy McKinnon (A Day To Remember) als Produzent an den Reglern. Eine vortreffliche Wahl übrigens. Musikalisch bewegen sich die Songs auf „Dear Youth“ wie bisher irgendwo zwischen Metalcore und melodischem Hardcore. Und auf den ersten Blick scheint es diesen an nichts zu fehlen: Fette Produktion, messerscharfe Riffs, gut platzierte Moshparts, pointierter Wechsel zwischen cleanem Gesang und Shouts. Alles gut also, sollte man meinen. Mir persönlich ist „Dear Youth“ aber einfach zu glatt, zu berechenbar, zu perfekt. Auch nach mehrmaligem Hören besitzt keiner der Songs wirklich Wiedererkennungswert. Die einzigen Ausnahmen bilden „Mercy“ und „The Other Half“, und diese klingen auch nicht wirklich nach The Ghost Inside. Auch die Texte von Sänger Jonathan Vigil wollen mich nicht so richtig mitreißen: Inhaltlich drehen sich die meisten Songs um die Probleme, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Gähn. Das Interesse an solchen Texten ist wohl stark von der jeweiligen Lebenslage des/der Hörer_in abhängig. Davon abgesehen haben beispielsweise Modern Life Is War mit dem Über-Album „Fever Hunting“ vorgemacht, wie so etwas ganz ohne Pathos funktionieren kann.

Gerade in einem Genre, das ohnehin schon mit lauter gleich klingenden Kapellen übersättigt ist, stellt sich die Frage, ob man ein solches Retorten-Album wie „Dear Youth“ tatsächlich braucht. Eins ist sicher: Mit dieser Scheibe werden The Ghost Inside ihren Status in der Szene weiter festigen und in ausverkauften Hallen spielen. Und das nicht zu Unrecht, ich gönne es den Kaliforniern sogar. Nichtsdestotrotz stellen sie für mich mittlerweile genau jenes Mittelmaß dar, an welchem die gesamte Metalcore-/Hardcore-Szene krankt: Technisch auf hohem Niveau, aber irgendwie belanglos, weil schon tausendmal gehört.

[Epitaph 2014]