Erst kürzlich bin ich auf das Videospiel „The Last of us“ gestoßen. Das Spiel erzählt die Geschichte Joel Millers, ein Mann im fortgeschrittenen Alter, und der 14-jährigen Ellie, welche zu einem Abenteuer quer durch die Vereinigten Staaten aufbrechen. Das Setting ist bedrohlich und postapokalyptisch: Ein Großteil der Bevölkerung wurde 25 Jahre zuvor durch eine parasitäre Pilzinfektion getötet oder mutiert zu zombieähnlichen Kreaturen, und als sei das nicht genug, kämpfen die überlebenden Menschen verzweifelt und brutal um knappe Ressourcen. Trotz der ständigen Bedrohungslage, in der Misstrauen und Todesangst nach dem Zusammenbruch staatlicher Autorität allgegenwärtig sind, erzählt das Spiel eine sehr berührende Geschichte zweier Menschen, die trotz all der Brutalität und dem Schmerz, den der Verlust geliebter Menschen mit sich bringt, nicht in die moralische Barbarei verfallen. Das schweißt beide derart zusammen, dass sie immer wieder auch mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert werden und Dinge tun lassen, die in einer zivilisierten Welt moralisch undenkbar wären.

Was das alles nun mit der neuen Platte von The Boxer Rebellion zu tun hat? Könnte ich den Soundtrack zu dem beschriebenen Spiel bestimmen, fiele meine Wahl ohne Zweifel auf „Ghost Alive“. Textlich wie musikalisch hat mich das sechste Studioalbum der britischen Rock-Band ähnlich berührt und aufgewühlt wie das Spiel. Beide gewähren einen sehr persönlichen Einblick in die Emotionen der Protagonist*innen. Gerade in puncto Verlust geliebter Menschen sind die Songs von The Boxer Rebellion zu verstehen. Während der Vorproduktion von „Ghost Alive“ verstarb der Vater des Sängers Nathan Nicholson. Zwar nahm die Band geraume Zeit später wieder die Arbeiten am Album auf, allerdings hatte der tragische Verlust Nathans Wahrnehmung nachhaltig beeinflusst. Er sah die Songs aus einem völlig neuen Blickwinkel und verdichtete zusammen mit seinen Bandkollegen die Emotionen auf „Ghost Alive“ maximal. Melancholische, aber dennoch warme Soundlandschaften dringen in den Gehörgang ein und lassen mich nicht mehr los, dazu Nathans wunderbare Stimme, die schon fast ein wenig an Ryan Adams erinnert. Songs wie „Love Yourself“ oder „Under Control“ laden dazu ein, in Erinnerungen zu schwelgen.

„Ghost Alive“ ist definitiv ein Album für die melancholischen Momente, entfaltet aber gerade in der Schwermut seine volle Schönheit. Und genau das hatten The Boxer Rebellion im Sinn, wie auch Sänger Nathan bestätigen kann: „Das Album wäre ohne diesen Verlust nie so geworden. Ich hoffe ganz aufrichtig, dass viele Menschen in der Platte ebenso viel Trost und Liebe finden, wie das bei mir der Fall ist“. Das möchte ich gerne so stehen lassen.

[Absentee Recordings 2018]