Manche Albumtitel sind extrem durchdacht und metaphorisch – oder eben auch eine lustige Tour-Anekdote. Letzteres trifft nämlich auf den neuen Longplayer von Scheisse Minnelli zu: Nach einer Show mit Pennywise im Berliner SO36 hatte die Band aus Frankfurt eine ziemlich lange und ausschweifende Nacht. Als es dann am nächsten Tag weiter zu einem Festival gehen sollte, fehlte ein Bandmitglied. Später schrieb dieses, der Rest solle ihn in der „Fehler Str. 1“ abholen.

Was die Band zu diesem Zeitpunkt noch für einen blöden Witz hielt, war allerdings erst gemeint und nun ein wirklich brillanter Albumtitel. Schließlich singen Scheisse Minnelli auf „Waking Up On Mistake Street“ von allerlei Eskapaden, Punk Rock, Drogenexperimente und Weltschmerz. Und auch Fans der Band dürfen unbesorgt sein: Es geht immer noch zu Genüge um Skateboarding und Politik. Hierfür steht nicht zuletzt der Hammer-Track „Love It Or Leave It“, der die offensichtlichen Schieflagen im „land of the free“ (sprich den USA) anprangert. Auch sonst ist die Platte, wie bereits angedeutet, eine Skatecore/Thrashpunk-Platte mit starkem 80s-Einschlag, wie sie im Buche steht: Straightes Gerotze und Geprügel auf zwölf Songs in gut 30 Minuten. Innovativ ist das zwar nicht, aber Scheisse Minnelli beherrschen ihr Handwerk beziehungsweise dieses Genre so gut, dass sie sich dafür wahrlich nicht rechtfertigen müssen. Na gut, eine kleine Überraschung ist den Jungs mit „Hallo Werner“ irgendwie doch gelungen. Dieser Song ist eine Anekdote an den legendären Internet-Clip, in dem der bereits verstorbene Boxer und Zuhälter Stefan Hentschel für eine Dokumentation in einer Seitenstraße der Reeperbahn von einem Kamerateam zu seiner Karrierer befragt wird. Plötzlich drängt sich ein junger Mann ins Bild und stört die Aufnahmen. Nach kurzem Gepöbel vonseiten Hentschels kassiert der Mann eine ordentliche Backpfeife, woraufhin Hentschel seine Tour durch die Seitenstraße unbeirrt fortsetzt. Ob Scheisse Minnelli hier auf eine weitere „Mistake Street“ anspielen, bleibt indes fraglich.

Pants down: Seit Cebrebal Ballzys gleichnamigen Album aus dem Jahr 2011 habe ich keinen Skatecore/Thrashpunk dieser Qualität mehr vernommen, umso mehr freue ich mich über Scheisse Minnellis wirklich großartige Scheibe. Mehr Dreck, Skaten und kaltes Bier geht in 30 Minuten nicht. Oder anders ausgedrückt: Der Soundtrack für die Halfpipe oder die nächste Kneipenschlägerei ist gesichert.

[Destiny Records/Beanies Records 2018]