Unpolitisch sein war nie mein Ding und wird es auch nie sein. Auch wenn die Welt nicht einfach ist und die Probleme manchmal unlösbar scheinen, hilft es nicht, total dicht zu machen. Dass beispielsweise mit der AfD nun eine Partei im Bundestag sowie in den meisten Landtagen sitzt, deren Mitglieder bereits den Schießbefehl gegen Geflüchtete an deutschen Grenzen gefordert haben und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Mahnmal der Schande“ betitelten, ist für mich ein Schlag ins Gesicht. Es ist für mich ein unerträglicher Umstand, dass ernsthaft über Gaulands Aussage, man müsse auch auf die „Leistungen“ (sprich: Kriegsverbrechen) der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg stolz sein können, diskutiert werden muss. Wer diese Partei verharmlost, hat gar nichts verstanden.

In einer Zeit, in der solche Arschlöcher zunehmend den öffentlichen Diskurs dominieren, bin ich heilfroh über Bands wie Radio Havanna. Wenige Punkbands sind in Deutschland so politisch motiviert wie die Wahlberliner: So spielten diese beispielsweise zusammen mit Anti-Flag ein Benefiz-Konzert für die inhaftierten Mitglieder der russischen Punk-Band Pussy Riot. Zudem riefen Radio Havanna vor einigen Monaten die Kampagne „Faust Hoch“ ins Leben, um nicht nur über die AfD aufzuklären, sondern auch vor allem im subkulturellen Kontext ein politisches Gegengewicht darzustellen. Unterstützt wird die Kampagne bereits von einigen namhaften Bands wie Slime, Irie Rèvoltès und ZSK. Letztere wiederum sind nicht nur wegen ihrer Kampage „Kein Bock auf Nazis“ eine ganz gute Referenz, um Radio Havanna einordnen zu können. Auch musikalisch lassen sich durchaus Parallelen erkennen: Deutschsprachiger Punk mit einer deutlich poppigen Ausrichtung und immer eine klare politische Kante.

Und genau nach diesem Prinzip funktioniert „Utopia“, das mittlerweile sechste Studioalbum der Band. In zwölf Songs wird sich nicht nur über Folgen menschlich gemachter Katastrophen für die Erde („Mein Name ist Mensch“) ausgekotzt, sondern auch Selbstausbeutung und Karriereterror („Ich hab die Zeit“) sowie homofeindliches Mackertum („Homophobes Arschloch“) angeprangert. Mit „Faust hoch“ liefern die Jungs zudem einen passenden (und ziemlich fetten) Song zur gleichnamigen Kampagne. Eine breite Palette an Themen also, die hier mal mehr, mal weniger phrasenartig beackert werden. Leider sind die Texte der Band nämlich an einigen Stellen etwas trivial, gerade im Kontext der durchaus poppigen Arrangements. Radio Havanna wagen hier einen Spagat, der in den meisten Fällen aber dennoch glückt. Das Quartett geht in seinen Songs nämlich so energiegeladen und beherzt an die Sache, dass ich der Band diese Haltung auch abnehme.

Entsprechend wichtig ist es Radio Havanna, die Beschissenheit der Dinge nicht einfach nur so hinzunehmen, sondern Probleme konkret anzugehen. Natürlich nicht ohne dabei auch ordentlich Spaß zu haben. „Früher oder Späti“ und „Anti alles“ versuchen dieses Lebensgefühl einzufangen. Spätestens jetzt wird klar, wie treffend der Titel „Utopia“ den Longplayer beschreibt: Wenn wir die Resignation überwinden und für eine bessere Sache kämpfen, wird vieles gut. Oder zumindest besser. Und um mal den Pathos der Band aufzugreifen: „Utopia“ kann vielleicht gerade ein jüngeres Publikum ermutigen und politisieren. Diesen Anspruch kann man gar nicht hoch genug schätzen. Und ganz ehrlich, dafür kann ich auch über Songs wie „Hassliebe“ hinwegsehen.

[Dynamit Records 2018]