Stillstand ist der Tod. Dieser Ausspruch, der gemeinhin dem Schriftsteller und Architekt Max Frisch zugeschrieben wird, bewahrheitet sich mit Blick auf diverse künstlerische Bereiche immer wieder. Auch wenn AC/DC beispielsweise dieser These grundlegend zu widersprechen scheinen, lassen es viele Bands nicht darauf ankommen und entwickeln sich musikalisch stets weiter. Zum einen, weil es in einem überlaufenen Genre auch schlicht ums Überleben geht. Zum anderen aber vor allem, weil die Musiker*innen es aus ihrem eigenen Anspruch heraus wollen. Bands wie beispielsweise Fear My Thoughts, die unter den deutschen Metalcore-Bands der mittleren 2000er Jahre durchaus bekannt waren, wurde eine solche Entscheidung jedoch nie wirklich verziehen, weshalb sie kurze Zeit später in der Versenkung verschwanden. Nichtsdestotrotz tun viele Musiker*innen gut daran, ihren Sound hin und wieder etwas aufzufrischen.

Northlane sind hierfür ein gutes Beispiel. Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 hat sich die Band aus Sydney musikalisch immer weiter ausdifferenziert – und das tendenziell zum Besseren. Wenngleich Djent als Trend beziehungsweise musikalische Spielart einigermaßen wirkungslos an mir vorbeiging, mochte ich persönlich den frühen härteren Bandsound etwas mehr als den späteren. Das 2011 erschienene „Discoveries“ und insbesondere die Single-Auskopplung „Dispossession“ legte das Fundament für die Attribute, welche den Sound Northlanes bestimmen sollten: knüppelig-vertrackt, aber mit einem guten Maß an Melodie und sphärischen und elektronischen Parts. Letztere nahmen im Laufe der Zeit spürbar zu – den Fans scheint es jedenfalls gefallen zu haben, schließlich waren Northlane aus den Line Ups großer Festivals und Clubtouren nicht mehr wegzudenken. Aber nun zum neuen Album „Alien“, dessen Titel (zumindest nicht musikalisch) nicht wörtlich genommen sollte. Northlane sind immer noch Northlane, keine Sorge. Aber für mein Gefühl besinnen sich die Australier wieder verstärkt auf ihre frühen Werke, zumindest mit Blick auf Songs wie „Details Matter“ und „Talking Heads“. Gerade ersteres ist als Opener ungewöhnlich harsch für Northlane, aber eben auch wirklich fett. Trotz schon fast „typischer“ Titel wie „Rift“ kommt „Alien“ eine ganze Spur düsterer und technisch-kalter daher als die bisherigen Outputs der Band. Dieser Umstand dürfte auch der inhaltlichen Grundlage geschuldet sein: Sänger Marcus Bridge thematisiert in den elf Songs seine Kindheit zwischen Drogen und Gewalt, aber vor allem auch, wie er diesen ganzen Mist hinter sich lassen konnte. „Ich wollte etwas kreieren, das die Leute wirklich anekelt“, fasst wiederum Gitarrist John Deiley die neue Platte musikalisch und inhaltlich treffend zusammen.

„Alien“ dürfte es schaffen, nicht nur alte und neue Fans der Band zufrieden zu stellen, sondern sogar ein neues Publikum zu begeistern. Northlane hätten auf Nummer sicher gehen und einen „Mesmer“-Klon auf den Markt werfen können. Gut, dass die Australier es nicht getan haben. Eine Weiterentwicklung auf so hohem Niveau und die Bereitschaft, ein gewisses Risiko dabei einzugehen, zeugt letztlich von der herausragenden Qualität der Musiker. An dieser Stelle sei vor allem „Eclipse“ mit seinem großartigen Industrial-Vibe genannt und gleichzeitig als Anspieltipp empfohlen. „Alien“ dürfte noch lange Zeit ein fieser und zugleich melodischer Brocken sein, der mit der Genre-Konkurrenz den Boden wischt.

[UNFD 2019]