Ein Gastbeitrag unseres Kumpels Mick

Wenn ich mir 2009 ein Tattoo hätte stechen lassen, wäre es auf jeden Fall das geschwungene Logo der Band Irie Révoltés geworden. Meine Güte, was war ich verliebt. Die Mischung aus Ska, Hip-Hop und Dancehall der neun Heidelberger haute mich förmlich um und sorgte dafür, dass sich mein winziger, musikalischer Kosmos um einige neue Genres erweiterte. Viel wichtiger noch, Irie Révoltés und vor allem das Album „Voyage“ haben mich ein gutes Stück politisiert und dazu beigetragen, dass ich mich mit rassistischer Kackscheiße auseinandersetzte. Mit dem Release von „Movement Mondial“ konnte ich dann nicht mehr so viel mit Irie Révoltés anfangen. Zu geleckt und vorhersehbar waren mir viele Tracks. Politische Aussagen wirkten viel zu beliebig, wild an einander geklatscht und mit dem Holzhammer serviert. Die breite Masse aber feierte Irie auch weiterhin. Und das fand ich damals, wie heute, auch super. Schließlich zeigte die Band um die Sänger Mal Élevé und Carlito auch Abseits ihrer Musik, was sie von Rassismus, Sexismus und Homophobie halten. Nämlich gar nichts. 2017 löste sich die Band zum bedauern vieler Fans nach 17 Jahren auf.

Nach dem sich meine Begeisterung bezüglich der letzten musikalischen Auswüchse der Heidelberger im Rahmen hielten, war ich etwas skeptisch, als ich hörte, dass Mal Élevé jetzt mit einem Solo Projekt an den Start geht. Und was soll ich sagen, nachdem ich die vier Songs auf der EP „Megafon“ immer und immer wieder gehört habe, hat sich meine Skepsis bestätigt. Zu kalt haben mich die Lieder „La Musique“ und „La Course“ gelassen. Gerade letzteres wirkt unfassbar austauschbar und könnte so auch von X-beliebigen Dancehall-Party stammen. Bei „La Musique“ gibt es noch schöne Textpassagen („Alle aufgewacht aus dem Tiefschlaf, es zieht uns nach draußen, aus Einfalt wird Vielfalt“), allerdings wirkt auch hier Beat und Chorus wie aus dem Baukasten. Die beiden ersten Tracks auf der EP „Non“ und das Ska lastige „Jamais Fatigue“ machen da eine bessere Figur und haben mich schon deutlich mehr zum mitwippen animiert. So unterschiedlich die vier Songs auch sein mögen, gemein haben sie, dass Musik als Sprachrohr verstanden wird. Als Megafon eben, um gegen Ungerechtigkeiten anzuschreien. Und deswegen bin ich auch trotz meiner Skepsis und dem ausbleibenden Enthusiasmus froh über diese EP und Mal Élevés Comeback. In einer Zeit, in der eine rechtspopulistische Partei krasse Wahlsiege einfährt, und Menschen auf offener Straße rassistisch und antisemitisch beleidigt und angegriffen werden, bedarf es mehr solcher Künstler*innen mit einer klaren, politischen Haltung. Schön, dass du wieder da bist Mal Élevé. Deinen Namen lasse ich mir trotzdem nicht auf die linke Pobacke tätowieren.

[ferryhouse productions 2019]