Meine ersten Gedanken zu Long Tall Jefferson? Nicht nur das Plattencover seines neuen Streichs „Lucky Guy“ schreit förmlich nach Retro-Nerdtum. Bereits sein erstes Album „I Want My Honey Back“ hat der Schweizer Musiker selbst auf Kassette aufgenommen und seine Download-Codes auf vergilbte alte Postkarten gepackt. Und auch musikalisch, und das ist letztendlich entscheidender, gibt es eindeutig Traditionen, auf die er sich bezieht: Lo-Fi Folk, der abgesehen von der Stimme unfassbar nach Bob Dylan klingt. „Lucky Guy“ verkommt aber nicht zur bloßen Bobness-Kopie, sondern erweitert den Sound um E-Gitarren, Klarinetten, Piano und zahlreiche weitere Instrumente.
Es geht also definitiv nicht um Reproduktion um der blinden Nostalgie willen, sondern in bestehenden musikalischen Fahrwassern seinen eigenen Standpunkt zu finden. Das ist dem Singer-Songwriter durchaus gelungen, wenngleich ich zugeben muss, dass das Album durchaus eine gewisse Durchlaufzeit benötigt. Freund*innen unaufgeregter Folk-Platten dürften hier aber schneller Zugang finden. Anspieltipp: „You & The Universe“, das mich in einigen Momenten durchaus an die melodische Verspieltheit Nick Drakes erinnert.
Ein weiterer Umstand, der den Schweizer sympathisch macht, ist sein unermüdlicher DIY-Background. So veröffentlicht er „Lucky Guy“ beim von ihm gegründeten Label-Kollektiv Red Brick Chapel, mit dem er bereits einige Schweizer Newcomer*innen gewinnen konnte. Man darf also noch viel erwarten.
[Red Brick Chapel 2018]