Eine wachsende musikalische Subkultur ist nach reinem Punk-Ethos eigentlich etwas Gutes: Immer mehr Leute werden ermutigt, sich musikalisch zu finden und etwas Tolles zu reißen. Die offensichtliche Kehrseite ist, dass die Szene logischerweise immer mehr wie die Welt „da draußen“ aussieht: Pit, Publikum und vor allem die Bühne sind extrem männerdominiert, zudem wird es musikalisch und thematisch leider auch nicht weniger trivial. Bei manchen Hardcore-Konzerten musste ich mich wirklich schon fragen, ob ich angesichts der Klientel nicht eher in einer Dorfdisko bin.
Trotzdem ist es erstaunlich, dass es immer noch Bands trotz des offensichtlichen Überangebots allzu ähnlich klingender Kapellen schaffen, aus der Masse zumindest ein bisschen hervorzustechen. Hierzu kann ich ab jetzt eine junge Band aus Wuppertal zählen: Liars & Thieves. Mit „Thaumatrop“ feiert der Fünfer nun ihren ersten Longplayer – und geht dabei bemerkenswert routiniert vor. Gerade für eine Debüt-LP ist das technische und musikalische Niveau wirklich beachtlich, jedes Riffs, jeder Shout sitzt nahezu perfekt. Die Ähnlichkeit zu Szenegrößen wie Architects und Northlane sind frappierend, wirklich brandneu ist der Sound der Wuppertaler also nicht. Macht aber insofern nichts, als dass Liars & Thieves mich damit auf Albumlänge durchaus zu unterhalten verstehen.
Es muss nicht immer ein Game Changer sein, manchmal ist einer Musiksparte schon sehr damit geholfen, den Status Quo zu erhalten oder auf ein bisschen höheres Niveau zu heben. Das ist mit Blick auf die quantitativ riesige Konkurrenz nicht einfach, umso mehr können sich Freund*innen melodisch-vertrackten Metalcores über „Thaumatrop“ freuen. Liars & Thieves sind auf jeden Fall auf dem richtigen Weg und ein bisschen Platz scheint im Teich auch noch zu sein.
[Bastardized Recordings 2019]