Bis heute habe ich zahllose Diskussionen mit Menschen zum Thema Musik geführt. Besonders leidenschaftlich ging es immer dann zur Sache, wenn es um Pioniere eines Genres beziehungsweise „Klassiker“ ging. Im Grunde ist es doch recht einfach: Man kann durchaus die Leistung einer Band bzw. Künstler*in anerkennen, ohne deren Musik tatsächlich zu mögen. Hierfür nehme ich meist ABBA als Beispiel: Wegweisend für die Pop-Musik, aber für meine Ohren grauenhafte, weichgespülte Scheiße. Jedenfalls lässt sich über Geschmack bekanntlich nur schwer streiten, obwohl wir das alle tun.
Auf Lauren Ruth Ward haben eine Menge „Klassiker“ gewirkt, vor allem jene der 60er und 70er Jahre. Und obwohl ich mit diesen Jahrzehnten meist nicht so recht was anzufangen weiß, schafft es die US-Amerikanerin, mich mit ihrer Musik abzuholen. Ein Blick auf ihre Biographie offenbart, warum sie so viel Leidenschaft in ihre Musik steckt: Neun Jahre lang arbeitete Ward als Hairstylistin, und das ziemlich gerne, erfolgreich…und eben viel. Ein nur zu bekannter Struggle: Lohnarbeit oder Kunstleidenschaft, denn eher selten lässt sich beides in erträglichem Maße miteinander verbinden. Mit ihrem Umzug nach Los Angeles im Jahr 2015 entschied sich Ward letztendlich für die Musik und fand dort nach einiger Zeit ihre heutigen Bandkolleg*innen. Drei Jahre später steht nun das Debüt-Album der Band in den Startlöchern: „Well, Hell“ ist eine kleine Achterbahn der Gefühle und Musikstile, deren neun Songs eine*n nach einer halben Stunde Spielzeit baff zurücklässt. Während der Opener „Staff Only“ fast ein wenig melancholisch anmutet und sich durchaus in einem Tarantino-Film machen würde, klingt „Sheet Tains“ ziemlich blueslastig. „Well, Hell“ atmet die grasgeschwängerte Luft der 60er und 70er Jahre und verbindet sie mit modernen Indie-Anleihen. Die LAWeekly hat es gut auf den Punkt gebracht: „Lauren Ruth Ward is a ’70s-channeling mix of Janis Joplin and Courtney Barnett.“
Die Sängerin hat mit ihrer Band viele Einflüsse aufgesogen und etwas fantastisch Neues geschaffen. Wer gerne Indie hört, aber gerne Ausflüge in die vergangenen Jahrzehnte nicht scheut, wird mit „Well, Hell“ eine kleine Perle finden.
[Weekday Records 2018]