Auch wenn sich der persönliche Musikgeschmack mit der Zeit verändern mag – einige Bands der ersten Stunde begleiten eine*n ein Leben lang. Besser kann man sich in meinen Augen kein Zeit- und Lebensgefühl bewahren. Für viele Jung- und Altpunks dürfte das mit Sicherheit auf Lagwagon zutreffen. Die Kultband aus Kalifornien ist, wie ich gerade feststellen musste, genauso alt wie ich. Eine entsprechende Rolle hat sie für mich nur bedingt gespielt, auch wenn ich stark mit US-Punk sozialisiert wurde. Irgendwie waren Bands wie NOFX, Good Riddance und Descendents präsenter für mich. Aus heutiger Sicht wundert mich das ziemlich, fassen Lagwagon doch jenen Punk, der mich so sehr geprägt hat, wunderbar zusammen.

Anyway, nun haben Voll- wie Halbblutfans wie ich gleichermaßen einen Grund zur Freude, denn nach fünf Jahren veröffentlicht die Band um Mastermind Joey Cape mit „Railer“ endlich ein neues Album. Und es dauert keine Minute, bis sich genau jenes Gefühl einstellt, das man als Fan melodischer US-Punk-Bands nie vermissen möchte: Songs, die so eingängig sind, dass man sie bereits beim ersten Durchlauf komplett antizipieren kann, weil sie einem bereits so unglaublich vertraut vorkommen. Dieser Umstand ist mitnichten mit Berechenbarkeit im negativen Sinne zu verwechseln, sondern vielmehr ein Beweis für die Songwriting-Qualitäten Lagwagons. Es überrascht also nicht, dass Capes Band genauso wie immer, aber eben immer noch frisch und lebendig klingt. Die besten Beweise hierfür sind ohne Zweifel „Stealing Light“ und „Bubble“.

„Railer“ versprüht pure Nostalgie, ohne zur Karikatur zu verkommen. Das ist für eine Band wie Lagwagon ein wirklich erfreulicher Umstand, denn allein einen langen Atem zu haben, sagt freilich noch nichts über die aktuelle Qualität einer altgedienten Band aus. In diesem Sinne: Alles ist gut, Lagwagon können immer noch bedingungslos als Referenz für ein Genre, Lebensgefühl und noch viel mehr gelten.

[Fat Wreck Chords 2019]