So sehr ich viele Bands und Künstler*innen musikalisch schätze, vermisse ich manchmal Texte, deren Gehalt über das übliche Maß an Anspruch hinaus gehen. Natürlich ist es für mich auch erstmal entscheidender, wie Musik klingt. Aber singt eine Band nur darüber, wie hart diese auf Partys steil geht, verliere ich relativ schnell die Lust an ihrer Musik.

Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Ian Fisher, ein Singer-Songwriter aus Missouri, überzeugte mich rein musikalisch anfangs nur bedingt. Der Musiker bewegt sich auf seinem neuen Album „Idle Hands“ zwischen Americana, Country und Folk. Musikrichtungen, mit denen ich im Laufe meines Lebens zwar durch meine Eltern sozialisiert wurde, aber nie so richtig etwas anzufangen wusste. Was mich aber letztendlich doch zu überzeugen vermochte, ist Fishers einfache, aber doch poetische Sprache. Der Albumtitel ist eine Anspielung auf das geläufige Sprichwort „Idle hands do the devil’s work“, welches besagt, dass Menschen ohne für sie sinnvolle Beschäftigung dazu neigen, schlechte Dinge zu tun. Was zunächst nach puritanisch-kapitalistischer Arbeitsethik klingt, zeigt sich im Alltag und vor allem im ganz persönlichen Kontext immer wieder: Jede*n von uns plagte oder plagt die Sorge, in irgendeiner Form „nutzlos“ zu sein, sei es beruflich, zwischenmenschlich oder auf ganz anderen Ebenen. Das ist wohl der Grund, warum sich Menschen immer wieder selbst vor Herausforderungen stellen. Dieser Umstand macht das Leben zum einen spannend und überhaupt erst lebenswert, zum anderen zerbrechen nicht wenige Leute an jenen Mechanismen, gerade wenn diese fremdbestimmt sind. Wie zentral dieses Prinzip das menschliche Zusammenleben unabhängig von Kultur und Herkunft bestimmt, kann Ian Fisher aus eigener Erfahrung beurteilen. Schließlich ist der US-Amerikaner vor allem in Europa viel herumgekommen.

Fishers Fähigkeit, einem komplexen und allgegenwärtigen Thema in einfacher Sprache so viel Tiefsinn und Bedeutung zu verleihen, hat mich wirklich in den Bann gezogen. Es passiert eher selten, dass ich primär über die Texte Zugang zur Musik erhalte. Ian Fisher hat’s geschafft. Hut ab dafür! Wer etwas mit Jackson Browne oder Fleetwood Mac anfangen kann, wird diese Erfahrung vermutlich nicht machen, kann sich aber umso mehr an den großartigen Texten Fishers erfreuen.

[Ian Fisher Music 2018]