Die Geschichte zu „Her“, dem Debüt-Album der gleichnamigen Band aus Frankreich, ist eine wirklich tragische: Sänger Victor Solf und Gitarrist Simon Carpentier begannen nach der Veröffentlichung zweier EPs an der Arbeit des Debüt-Albums – obwohl letzterer seit einigen Jahren einen immer aussichtsloser werdenden Kampf gegen Krebs führte und klar war, dass er die Veröffentlichung des Albums nicht mehr erleben würde. Am 15. August 2017 gab Solf den Tod seines engen Freundes und Bandkollegen bekannt. Trotz des schmerzlichen Verlustes, so Solf, habe die Band sich jedoch verpflichtet, das musikalische Vermächtnis Carpentiers weiter zu tragen und das Album fertig zu stellen.

Nun läuft „Her“, das als Requiem zu begreifen ist, schon zum wiederholten Male in meiner Playlist, aber von Trauer oder Melancholie ist nichts zu spüren. Der Sound des Albums versprüht vielmehr positive und knisternde Vibes, etwas anderes wäre bei dem stark souligen Pop auch eher schwer vorstellbar. Die minimale Elektronik verfeinert den Sound der Franzosen und verpasst „Her“ eine glatte, aber doch elegante Ästhetik. Nichts wirkt zufällig, alle Arrangements wirken sorgfältig durchdacht. „Wanna be you“ ist hierfür ein hervorragendes Beispiel. Mitunter erinnern Her stark an das britische Synthie-Pop-Duo Hurts, die mit ihrem Hit „Wonderful Life“ 2010 die Charts stürmten. Die Tatsache, dass sich dieser Song ermutigend mit dem Tod auseinander setzt, lässt den Vergleich nochmal passender erscheinen.

Her haben, gerade mit Blick auf den Tod ihres Gitarristen, ein wirklich erstaunliches Debüt hingelegt. „Her“ ist minimalistisch und glatt, aber durch den starken Soul-Einschlag dennoch ästhetisch ansprechend. Dass man Rührseligkeit hier bewusst ausgeklammert hat, war zweifelsohne eine gute Wahl, auch wenn das Gegenteil absolut nachvollziehbar gewesen wäre. Simon Carpentier erhält mit „Her“ ein würdiges Reqiuem, und ich glaube, ein größeres Kompliment ist an dieser Stelle schwer vorstellbar.

[Universal 2018]