Politischer Rap ist so eine Sache. Viel zu oft habe ich leider das Gefühl, dass Musiker*innen trotz ihres enorm wichtigen politischen Standpunktes in künstlerischer Hinsicht eher weniger überzeugen und thematisch mit Parolen- und Phrasengedresche irgendwann auf der Stelle treten. Milli Dance von Waving The Guns hat das mit Blick auf den sogenannten Zeckenrap in einem Interview mit der Straßen aus Zucker mal sehr gut auf den Punkt gebracht und mir aus der Seele gesprochen. Keine Frage, es ist bitter notwendig, Diskriminierung, Widersprüche und menschenfeindliche Scheiße überall zu benennen, wo man darauf trifft. Textlich beziehungsweise technisch endet das leider meistens wie oben beschrieben. Glücklicherweise zeigen Rap-Acts wie Zugezogen Maskulin sowie Pöbel MC und Milli Dance, dass das auch anders geht. Was aber ein altes Problem, das man eigentlich zu bekämpfen versucht, erneut verdeutlicht: Warum ist Rap eigentlich (wie so ziemlich jede (Sub)Kultur) eigentlich so krass männlich dominiert? Mir ist schon klar, warum das so ist. Aber gerade in kleinen Subszenen, die für sich in Anspruch nehmen, besonders tolerant zu sein, finde ich es immer wieder ärgerlich, dass sich Frauen wie auch in der Gesellschaft „da draußen“ viel öfter vor Männern rechtfertigen und behaupten müssen.

Haszcara, Rapperin mit Leidenschaft und Schnauze, hat diesen Umstand schon früh erfahren müssen und stets in ihren Tracks thematisiert. Doch anstatt sich permanent darüber aufzuregen und sich an Mackern in der Rap-Szene abzuarbeiten, macht sie alles richtig: Sie macht einfach ihr Ding und haut die Leute damit um. „Polaris“, der neue Streich der Göttinger Rapperin, macht da keine Ausnahme. Haszcara ist immer noch sauer und wird nicht müde, gegen die allgemeine Beschissenheit der Dinge anzukotzen. Gleichzeitig, und das macht Haszcaras Tracks nachvollziehbar, offenbart sie uns auch ihre verletzliche und unsichere Seite, was es bedeutet, wenn einen der ganze Scheiß mal wieder zu sehr herunterzuziehen droht. Auch wenn es nicht nur zwischen den Zeilen durchaus politisch wird, macht Haszcara nicht den Fehler, sich bloß auf Parolen zu verlassen oder zu moralisieren. Vielmehr verpackt sie ihre Message und Gedanken wortgewandt in vierzehn Tracks (zählt man Intro, Skit, Interlude und Outro dazu), deren Flow einfach nicht abreißt. Insgesamt wirkt „Polaris“ wie aus einem Guss und stimmig. Neben einem Tribut an die körperliche Ertüchtigung („Immer nach dem Training“) gibt es mit „Rauchen und nix tun“ auch eine Hymne auf den Müßiggang. Torsun Burkhardt gefällt das.

„Polaris“ ist ein Muss für jede*n, der beziehungsweise die auf der Suche nach textlich starkem und dennoch unaufgeregtem Rap ist, der in vielen Momenten auch durchaus politisch wird. Haszcara hat mit „Polaris“ eindrucksvoll bewiesen, dass sie sich nicht mehr beweisen muss. Egal wem.

[Audiolith 2018]