Dieses Jahr habe ich es geschafft, mir zumindest einen Ansatz von Verständnis für Pop-Musik zu erarbeiten. Als Produkt diverser Subkulturen, die Pop mal mehr, mal weniger feindselig gegenüber stehen, bin ich fast ein wenig stolz auf diese Entwicklung. Auch wenn mein Herz immer noch mehr für Geknüppel schlägt, bin ich um diese Horizonterweiterung froh. Ansonsten wäre ich wohl kaum auf so eine großartige Band wie The Boxer Rebellion gestoßen.
Entsprechend optimistischer kann ich mittlerweile an eine Vielzahl neuer Releases herangehen. So auch bei Family of the Year: Das Quartett um die Gebrüder Keefe ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt, schließlich war ihre Single „Hero“ 2013 für 35 Wochen auf Platz 7 der deutschen Single-Charts und erreichte damit Platin-Status. Dass dieser Hype nicht unbegründet war beziehungsweise ist, merkte ich beim Hören des neuen und mittlerweile fünften Albums „Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ sehr schnell. Kaum waren die letzten Töne des Openers „Let Her Go“ verklungen, hatten sich diese schon tief in mein Hirn und meinen Gehörgang eingegraben. Ich kann nicht einmal behaupten, dass die Band mit ihrem glatten Indie-Pop meinen Geschmack genau getroffen hat. Dennoch fasziniert mich die Herangehensweise des Vierers aus Los Angeles. Zum einen sind Family of the Year musikalisch vergleichsweise reduziert, zum anderen schafft es die Band, genau an den richtigen Stellen der Songs den entscheidenden (und vor allem individuellen) Eindruck zu hinterlassen. Das spricht nicht nur für die Songwriting-Qualitäten der Musiker*innen, sondern ist auch einfach ein Hörgenuss. Die tadellose Produktion tut da ihr übriges, was besonders in „Girl Who Washed Ashore“ zu hören ist. Besonders sticht allerdings die erste Single-Auskopplung „Hold Me Down“ heraus, welche im Vergleich zum Rest starke 80er-Vibes versprüht und damit ziemlich tanzbar ist.
„Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ ist ein Album, das für beinahe jede*n etwas zu bieten hat. Genrekundige werden eine weitere Indie-Pop-Perle ihr Eigen nennen können, aber auch Laien und Kritiker*innen können die zwölf Songs der US-Amerikaner*innen bedenkenlos auf sich wirken lassen. Und danach begeistert sein.
[Warner Music 2018]