Metalcore ist tot, es lebe der Metalcore! Nach diesem Prinzip scheinen Desasterkids seit jeher mal mehr, mal weniger zu funktionieren. Je nachdem, wie man den Satz interpretieren möchte. Gegründet wurde die Band 2012 in Berlin von Andi Phoenix und Iain Duncan, letzterer hatte bereits als Gitarrist bei We Butter The Bread With Butter Erfahrungen sammeln können. Ein Merkmal der Band war schon immer, dass sie weder musikalisch noch optisch nicht so recht in die klassische Metalcore-Schublade passen wollte. Das fällt bereits mit Blick auf die Pressefotos der Band deutlich auf. Wäre ich oberflächlich, würde ich behaupten, dass der Sound ihres neuen Albums „Superhuman“ nun absolut zum Style der Band-Mitglieder passt. Da ich hinsichtlich der Beurteilung aber grundsätzlich zwischen Erscheinungsbild und Musik einer Band trennen kann, zählt das Argument für mich letztlich nicht. Die einen mögen Desasterkids als weiteres Indiz für die Kommerzialisierung der Subkulturen betrachten. Doch bei manch berechtigter Sorge geht mir diese Haltung auch ziemlich gegen den Strich, ist sie doch im Kern oft ziemlich reaktionär. Jede*r kann und soll sich so kleiden dürfen, wie er beziehungsweise sie möchte, weil Punk und Hardcore nämlich Rückzugsorte vor genau diesem gesellschaftlichen Zwang sind. War da nicht was? Die Frage, inwieweit Punk und Hardcore heute überhaupt noch subkulturellen Charakter haben, ist eine andere. Nichtsdestotrotz nervt mich das lookistische Kreisgewichse einer Szene, die sich als Garant der freien Selbstentfaltung sieht.

Aber ich schweife ab. „Superhuman“, der neue Streich der Berliner, ist ein bisschen so wie das Wiedersehen mit alten Freund*innen: Man hat sich jeweils anders entwickelt, merkt aber sehr schnell, was man letztendlich noch gemeinsam hat und freut sich darüber. Desasterkids wirken trotz ihres modernen Sounds auf eine angenehme Weise angestaubt und verpassten mir mehrfach Flashbacks der wunderbaren Art: Songs wie „Bulletproof“ sind derart eingängig und packend, dass sie problemlos auf jeder Need For Speed-Playlist der mittleren 2000er Jahre Eingang gefunden hätten. Right in the youth. Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen elektronischen Spielereien, die „Superhuman“ von den bisherigen Veröffentlichungen der Band abhebt. „Walking Alone“ beispielsweise erinnert stark an den Pop- und Electro-lastigen Metal der Japaner Crossfaith, der gerade in Europa immer mehr Menschen zu begeistern vermag. Der Bums kommt jedoch in keiner Sekunde zu kurz, keine Sorge. Das brachiale Northlane-Grundgerüst ihres Sounds vom Vorgänger „030“ steht auf festen Füßen und zeigt, dass Desasterkids mitnichten vergessen haben, wo ihre Stärken liegen. Und für die homophoben Macker haben die Berliner mit „Oxygen“ einen musikalischen Mittelfinger im Gepäck. Sehr geil! Wer schon immer gerne Deftones gehört hat, persönliche und starke Texte mag und sich eine Fusion der genannten Band mit Metalcore gut vorstellen kann, sollte „Superhuman“ unbedingt auschecken.

[Uncle M/Cargo Records 2018]