Die Antilopen Gang ist mittlerweile weit über Genre-Grenzen hinaus Konsens, davon zeugt nicht zuletzt die überaus bunte Mischung an unterschiedlichen Menschen, die die Konzerte des Düsseldorfer Trios besucht. Fans und Nerds schwören aber, zumindest ist das meine Erfahrung, auf die zahlreichen Solo- beziehungsweise Kollabo-Veröffentlichungen der jeweiligen Mitglieder. Besonders NMZS, welcher sich 2013 aufgrund schwerer Depressionen das Leben nahm, genießt in vielerlei Hinsicht Kultstatus. Das Image der Antilopen Gang bis heute jenes der sympathischen Gruppe von Losern, und trotz (oder gerade wegen) ihrer ironischen Grundhaltung sind die Texte des Dreiers so glaubwürdig. Besonders Danger Dan fand für dieses Gefühl in meinen Augen stets die besten Worte, besonders auf seinen Solo-EPs „Coming Out“ und „Dinkelbrot und Ölsardinen“: Verkopft, aber doch zugänglich und unglaublich erhellend, weil ehrlich.

Für sein erstes Solo-Album „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“, welches am 1. Juni pünktlich zu seinem Geburtstag erscheint, gilt das nach wie vor. Musikalisch haben die letzten Jahre mit Koljah und Panik Panzer deutliche Spuren hinterlassen, viele Songs klingen trotz ihrer Ernsthaftigkeit deutlich fröhlicher und gewinnen dadurch zusätzlich an Ironie. Schnell merkt man, wie wörtlich der Albumtitel zu verstehen ist. Danger Dan schrieb die Texte unter dem Eindruck der Psychotherapie, welcher er sich aufgrund seiner Depressionen unterzog, herausgekommen ist ein kleines Meisterwerk. So erzählt beispielsweise er von seiner recht erfolgreichen Strategie, der Lohnarbeit durch absurde Gelegenheitsjobs ein Schnippchen zu schlagen („Die Grundvoraussetzung“). Während man darüber noch schmunzeln kann, wird es bei „Eine aufs Maul“ wieder deutlich ernster, wenn Danger Dan vom Struggle mit der eigenen Persönlichkeit und den inneren Dämonen rappt. Doch nicht nur persönliche Umstände treiben den Rapper um, auch der sexistische Normalzustand der Gesellschaft kotzt ihn hörbar an („Sand in die Augen“). Eine große und vor allem gelungene Überraschung hingegen ist das Duett mit Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel („Die Prinzentragödie“). Mein persönlicher Favorit ist bisher aber „Mingvase“, ein lupenreiner Pop-Song, der sowohl musikalisch als auch textlich im Kopf bleibt.

Danger Dan gewährt uns einen tiefen Einblick in seine mitunter sehr persönlichen Gedanken. Trotz großer Erfolge mit der Antilopen Gang kann der Düsseldorfer auf ein turbulentes Leben mit Höhen und Tiefen zurückblicken, dessen nicht immer positive Eindrücke bis heute große Wirkung auf ihn haben. Aber vielleicht wird am Ende doch alles gut, könnte man meinen. Danger Dan ist da nicht so zuversichtlich, macht sich deswegen aber nicht verrückt („Private Altersvorsorge“). Seine Songs sind eben Reflexionen aus dem beschönigten Leben. Unperfekt, ehrlich und mit viel Identifikationspotenzial. Für mich jetzt schon ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres.

[JKP/Warner 2018]