Dieser Moment, wenn der Pit vor der Bühne überzukochen droht. Die Energie (und meistens auch die Luft) im Raum ist beinahe greifbar und ansteckend. Und selbst diejenigen, die kopfnickend am Rand stehen, überkommt eine wohlige Gänsehaut. So fühlt sich für mich eine perfekte Hardcore-Show an. Jeder Mensch im Raum vergisst zumindest für eine gewisse Zeit alle Sorgen und erfreut sich daran, dass er bzw. sie den aufgestauten Frust und die Wut kollektiv mit andere rauslassen kann. Der Härtegrad der Musik spielt dabei zwar eine eher untergeordnete Rolle, nichtsdestotrotz geht doch nichts über richtig dicken Hardcore mit ordentlich Mosh und gut platzierten Breakdowns. Wer Terror oder Bitter End einmal live erleben durfte, wird das bestätigen können.

Gutes Stichwort, denn die musikalischen (Live-)Qualitäten, die besagten und einigen weiteren Bands zu ewigem Ruhm auch außerhalb der Szene verholfen haben, haben einen Stellvertreter mehr gefunden. Crowned Kings aus Australien scheinen mit ihrem neuen Album „Sea of Misery“ nämlich sämtliche Profikader der ersten Hardcore-Bundesliga herausfordern zu wollen. Wohlwissend, dass Down Under über eine sehr lebendige und „produktive“ Hardcore-Szene verfügt, finde ich dennoch bemerkenswert, wie erfahren und konzentriert das Quintett auf seinem zweiten (!) Album klingt. Es ist einfach alles da, was ein Brecher braucht: Viel Mosh und Groove, gut platzierte Breakdowns, angepisste Vocals und fette metallastige Riffs. Besonders Songs wie „No Cure No Hope“ pflügen einem frontal ins Gesicht und hinterlassen trotzdem ein glückliches Lächeln. Im Grunde gibt es auf „Sea of Misery“ permanent auf die Fresse, und das ist gut so! Mit Terror-Drummer Nick Jett, der bereits beim Bitter End-Überalbum „Illusions of Dominance“ an den Reglern stand, ist das nicht besonders überraschend.

Mit Crowned Kings hat sich Demons Run Amok, das vielen als kleine Label-Institution in Sachen Hardcore bekannt sein dürfte, einen echten Brocken geangelt, und zwar in jeglicher Hinsicht. „Sea of Misery“ zieht dermaßen Zähne, dass es sich vor Genregrößen wie Terror nicht zu verstecken braucht. Trotz allem Geballer haben die Australier aber verstanden, gut funktionierende Songs zu schreiben. Wer möchte, sollte sich unbedingt live selbst ein Bild davon machen. Eine kulante Krankenversicherung vorausgesetzt.


[Demons Run Amok 2018]