In meiner Freiburger Lieblingskneipe gab (und gibt es vermutlich noch heute) es einen Cocktail der besonderen Qualität – Long Eimer Icetea. Wobei in diesem Fall die Quantität fast noch ausschlaggebender war: Serviert wurde der Drink in einem 0,5 Liter Weizenbierglas, stark war die Mische obendrein auch noch. Es ist wohl unschwer zu erkennen, dass das beschriebene Getränk in erster Linie für eine möglichst starke Bebläunis in möglichst kurzer Zeit zu sorgen hat. Davon kann man jetzt hinsichtlich Kultur und Ästhetik halten, was man will – so manche*r Freiburger*in dürfte mit diesem dezent fiesen Gesöff schon einen lustigen Abend gehabt haben. Vorausgesetzt, die Erinnerungen sind überhaupt noch vorhanden.
Dass ich mich jetzt um so eine Beschreibung bemühe, hat durchaus Gründe, denn Clowns, das neue Pferd im Stall des US-Punk-Labels Fat Wreck, lässt sich in Bezug auf widersprüchliche Gefühle durchaus mit dem beschriebenen Cocktail vergleichen. Die Band aus Melbourne verkörpert auf ihrem neuen Album „Nature/Nurture“ musikalisch irgendwo zwischen Punk, Hardcore und Rock pure Räudigkeit, kommt aber an vielen Stellen überraschend vielseitig und sogar atmosphärisch daher. Das klingt nicht nur widersprüchlich, es ist auch zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Auf der einen Seite klare Bezüge zu The Bronx, Gallows und John Coffey, andererseits erinnern ungewöhnlich ausladende Stücke wie „Nurture“ schon fast ein wenig an die ruhigen Converge-Momente und Tool-Versatzstücke. Das mag nicht jeder Person direkt reingehen, dranbleiben lohnt sich aber definitiv. Die Eingewöhnungszeit ist schnell vergessen, weil die ungewöhnliche Vorgehensweise der Band diese nicht vorbeirauschen, sondern nachhaltig hängen bleiben lässt.
“Nature/Nurture” ist purer Gegensatz – und funktioniert wohl gerade deshalb so gut. Clowns sind einerseits genau der Rotzklumpen, der klaren Pop-Schemata ins Gesicht fliegt, andererseits sind die Australier in einigen Momenten geradezu experimentell. Im übertragenden Sinne eben wie der Freiburger Long Eimer Icetea: räudig, aber doch abwechslungsreich und liebenswürdig. Und in jedem Fall auf die Zwölf.
[Fat Wreck 2019]