Born From Pain kündigen ein neues Album an? Und dann noch mit dem Namen „True Love“? Ja geile Scheiße! Schließlich war es seit ihrem letzten Album „Dance With The Devil“ (2014) relativ ruhig um die Band aus dem niederländischen Heerlen. Doch in meinem Fall waren da auch gemischte Gefühle im Spiel. Einerseits haben mich Born From Pain schon früh in meiner musikalischen Sozialisation begleitet, besonders die beiden Alben „War“ (2006) und „Survival“ (2008) waren zum damaligen Zeitpunkt so etwas wie Standardwerke in Sachen metallastiger Hardcore. Andererseits, und dieser Umstand liegt mir seit jeher auf dem Herzen, hatte ich mit der inhaltlichen Ausrichtung der Band zunehmend Probleme. Nach den Aussagen ihres Shouters Rob Franssen versteht sich die Band als eine, die sich kritisch mit zeitgenössischen politischen Themen auseinandersetzt. Den Umstand, auch in inhaltlicher Hinsicht Substanz in die Musik bringen zu wollen, finde ich an sich sehr begrüßenswert. Allerdings empfand ich die Art, wie Franssen seine Kritik artikulierte, als problematisch: So merkt er zwar absolut richtig an, dass die aktuelle Misere wortwörtlich System hat (i.e. Kapitalismus), traurigerweise reduziert er trotz dieser Erkenntnis seine Kritik stark auf Einzelpersonen oder Akteure. So ist die Rede von „Bänkern“, „Eliten“ und „Riesenkonzernen“, die letztlich das Sagen hätten und Regierungen eigentlich nur „Marionetten“ zur Machtausübung der Wirtschaft seien (vgl. hierzu auch FUZE Magazine, Ausgabe 36, S. 27). Puh. Mal davon abgesehen, dass eine solche Personalisierung von Kapitalismuskritik nicht nur stark verkürzt ist, halte ich sie vor allem für nicht zielführend. Eine solche „die da oben“-Rhetorik und die Frage, wer in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung nun „besser“ oder „schlimmer“ ist, sind irreführend und relativieren letztlich die Systematik des Problems.

Kurzum: Mein Hörgenuss war in den letzten Jahren leider immer etwas getrübt angesichts dieser Aussagen. Man könnte nun natürlich einwenden, dass es sich hier immerhin um Songtexte und nicht um wissenschaftliche Arbeiten handelt. Ein valider Punkt, denn glücklicherweise sind die Lyrics der Band bisher nicht so eindeutig ausgefallen, wie sich Rob Franssen in Interviews äußerte. In diesem Fall hat die reduzierende Natur von Songtexten per se schon fast was Gutes. Eine Band, die aber letztlich ganz explizit Wert darauf legt, ein elaborierteres politisches Bewusstsein zu haben, muss sich einer solchen Kritik durchaus stellen. Schließlich sind die Botschaften ab diesem Punkt zentraler Bestandteil ihrer Musik und die persönliche Meinung eines oder mehrerer Mitglieder nicht mehr abgrenzbar davon.

Unter diesem Zeichen steht nun auch der neue Streich „True Love“. Inhaltlich deuten die Texte genau das an, was bereits früher in Interviews detaillierter ausgeführt wurde. Die Reduzierung auf wenige Worte macht es zum Glück aber möglich, die Texte vielseitiger und individueller zu interpretieren, sodass meine bisherigen Bauchschmerzen diesbezüglich nicht allzu krass ins Gewicht fallen. In musikalischer Hinsicht bekommt man genau das, was man an Born From Pain schon immer geil fand: Treibender, moshlastiger Hardcore mit einer hörbaren Metal-Schlagseite. Weltbewegend neu ist das mit Blick auf die bisherigen Alben der Band zwar nicht, aber warum auch ein altbewährtes Rezept ändern, wenn das Resultat immer noch großartig schmeckt? Eben. Die Songs gehen straight in die Blutbahn und laden zur Zerlegung ein, woran vor allem die beiden prominenten Features auf der Platte ihren Anteil haben dürften. So verleihen Madball-Fronter Freddie Cricien („Bombs Away“) und Chris Robson (TRC, „New Beginnings”) dem bekannten Born From Pain-Sound eine erfrischende, wunderbar ergänzende Note. Meine persönlichen Favoriten sind jedoch „Unstoppable“ und „Rebirth“, wobei letzteres bereits vorab als Video-Single erschienen ist.

Wer amtliches Geprügel auf hohem Niveau sucht, wird mit „True Love“ fündig. Versprochen. Textlich sei es jeder Person selbst überlassen, inwieweit sie diese auf Basis der Aussagen ihres Shouters oder lieber nach eigenem Ermessen interpretiert. Oder wie es Rob Franssen selbst sagt: „Wichtig ist […], immer selbst nach der Wahrheit zu suchen!“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

[BDHW 2019]