„‚Kaos‘ ist, wenn dein Fundament bröckelt und die Dinge aus der Norm geraten.“ Mit diesen Worten beschreibt Mario, Sänger bei Blackout Problems, das neue Album seiner Band. Wie richtig dieser Satz ist, wird beim Hören des neuen Albums der Band aus München mit jedem Song klarer. Ohne allzu viel vorweg zu nehmen: „Kaos“ hat durchaus das Potenzial, ein wirklich großes Publikum zu begeistern. Aber ein noch größeres als das letzte Album? Schließlich landeten Blackout Problems bereits mit ihrem Debüt „Holy“ 2016 in den Top 50 der deutschen Albumcharts. Die Anforderungen waren also entsprechend hoch.
Bereits der Opener „How Are You Doing“ verdeutlicht, wie wörtlich der Albumtitel zu verstehen ist. Die Band lädt zu punkigem Alternative mit den Worten „Follow me into the gutter“ ein auf eine Reise voller Emotionen. Letztere sind ohne Frage das Leitmotiv der Platte: Die zwölf Songs des Albums sind musikalisch vielfältig, aber zu keiner Zeit widersprüchlich. Blackout Problems haben dafür offensichtlich ein echtes Händchen: Der Titeltrack „Kaos“, der direkt an den Opener anschließt, ist im Grunde nämlich die musikalische Antithese zum durchaus punkigen Einstieg. Fast drei Minuten Trance, bis der Song in einem Riff-Gewitter eruptiert. Nach diesem Prinzip funktioniert „Kaos“ und wird seinem Namen dadurch absolut gerecht, zumal sich dieser Umstand auch in den Texten der Band niederschlägt. Mitunter offenbaren Blackout Problems sehr persönliche Anliegen („Kontrol“), getragen von sphärischen Soundwänden, die mitunter stark an Heisskalt erinnern. Anders als letztere schaffen es Blackout Problems aber glücklicherweise, ohne viel Romantik und Geschmachte auszukommen. Will man aber den Sound der Band wirklich treffend beschreiben, sollte man sich an den Ankündigungstext von Uncle M halten, der von einem „Spagat zwischen Verkopfheit und Eingängigkeit“ der Schotten Biffy Clyro spricht. On point! Die Vergleiche mit Alexisonfire und Being As An Ocean kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Besonders mit Blick auf letztere reichen Blackout Problems trotz all ihrer Fähigkeiten nicht an deren stimmliche und atmosphärische Variabilität heran.
„Kaos“ ist zweifellos ein bestens konzipiertes und durchdachtes Album, das trotz seiner seelischen Abgründe eine positive Message vermittelt. Im letzten Song „Charles“ sammelt die Band noch einmal alle Kräfte, um das Album mit einem Chor und dem herausgeschrieenen Satz „I’m not scared of the future“ in einem Paukenschlag enden zu lassen. Die beklemmende Stille, die einen dann auf einmal überkommt, war für mich eher der Antrieb, mich nochmal auf die Reise mit der Band zu begeben. Und siehe da, mit jedem Durchlauf entdeckte ich neue Facetten und Feinheiten. „Kaos“ ist definitiv kein Album für’s gelegentliche Easy Listening, aber wie so oft wird Geduld mit der Platte belohnt. Versprochen.
[Munich Warehouse/Cargo Records 2018]