Jede_r kennt das Gefühl: Eine sehr geschätzte Band kündigt ein neues Album an. So weit, so gut. Mit dem Wissen, dass sich diese Band von Platte zu Platte stets gesteigert hat, wird es jedoch mit jeder neuen Veröffentlichung immer brenzliger. Man hat tierisch Angst, dass die neue Schreibe nicht ganz mit der alten mithalten kann oder sogar komplett kacke ist.

Diese Sorgen haben mich auch vor einem guten Monat geplagt, nachdem ich „All our Gods have abandoned us“ vorbestellt hatte. Schließlich hatte ich mich bereits 2009 mit „Hollow Crown“ in den Sound von Architects verliebt: Vertrackter Post-Hardcore/Metalcore, technisch und atmosphärisch zugleich und stets begleitet von einem Wechsel aus Geschrei und Klargesang. Mit „Lost Forever // Lost Together“ 2014 hatten Architects in meinen Augen ein Album geschaffen, dass ziemlich nah an das herankam, was ich als perfekte Fusion aus Melodie und Härte bezeichnen würde. Bei Songs wie „Broken Cross“ bekomme ich heute noch Gänsehaut.

Diese Erwartungen zu übertreffen oder zumindest zu erfüllen, schien also zunächst unmöglich. Aber als „All our Gods have abandoned us“ vor einer Woche das erste Mal auf meinem Plattenteller rotierte, war ich glücklich. Alles ist gut. Es wird immer noch geknüppelt und gekeift, während Shouter Sam Carter im nächsten Moment mit verzweifelter Stimme in einen unglaublich atmosphärischen Part überleitet. Während der Opener „Nihilist“ noch relativ forsch nach vorne prescht und keine Gefangenen macht, verkörpern Songs wie „Phantom Fear“ oder „Gone with the Wind“ das dualistische Architects-Prinzip in Reinform. Dieses Spielart zieht sich wie ein roter Faden durch das Album, wenngleich die Songs der B-Seite insgesamt ruhiger ausfallen. In „Memento Mori“, dem letzten Track des Albums, hört man sogar ein wenig Black Metal heraus. Vielleicht gerade deshalb verdeutlicht dieser Song, worum es inhaltlich auf „All our Gods have abandoned us“ geht: Pessimismus, Verzweiflung, Hass. Und letztlich eine deutliche Abrechnung mit (organisierter) Religion. Im Grunde zwar alles Themen, die tausende andere Bands bereits abgegrast haben. Aber das Ganze in so wunderbar vielschichtige Songs zu packen gelingt nicht vielen.

Wo andere Bands an zu hohen technischen Ansprüchen und gegenwärtigen Szene-Trends scheitern, legen Architects mit „All our Gods have abandoned us“ mal wieder eine Schippe drauf. Nie klang Sam Carters Stimme gewaltiger, nie ballerten sich die Jungs aus Brighton so herrlich durch vertrackte Rhythmen, um sogleich wieder in sanften Parts zu versinken, ohne sich dabei zu verlieren. Dieses Meisterwerk zu übertreffen wird damit noch unwahrscheinlicher, aber ich hoffe einfach, dass bis zum nächsten Album noch etwas Zeit vergeht. Bis dahin freue ich mich über meine persönliche Platte des Monats.

[Epitaph 2016]