Auch wenn ich eher mit schneller Musik mit kurzen Spielzeiten pro Song durch’s Leben gehe, hatte ich schon immer eine gewisse Schwäche für ausufernde Musik, die zum Versinken einlädt. Zu meinen persönlichen Favoriten gehören Tool, aber auch Gustav Mahler und seine Fünfte Sinfonie sind (gerade auf Platte) absolut herausragend. Logisch also, dass es hier viele Nacheifernde gibt, die an die Genialität der Genannten nur selten anknüpfen. Das soll auch gar nicht der Mindeststandard sein, aber viele Künstler*innen verwechseln in meinen Augen Komplexität mit Planlosigkeit.

Um das gleich vorweg zu nehmen: Alpentines aus Köln gehören nicht zu der planlosen Sorte Bands. Im Gegenteil: Das Quartett bringt in seiner Musik, die sich grob irgendwo zwischen Indie, Rock und Pop bewegt, so viele Facetten unter, dass es mir selbst nach mehreren Durchläufen nicht möglich ist, sie alle auszumachen. Dieser Umstand zeigt zum einen schon, dass die Kölner auf ihrem Mitte April veröffentlichten Album „Silence Gone“ dem bzw. der Hörer*in Geduld abverlangen. Die elf Songs der Vinyl-Version, die nun Ende April und damit etwas später erscheint, brauchen eine gewisse Zeit zum Wachsen, entfalten aber mit etwas Geduld mehr und mehr ihre Schönheit. Zum anderen, und das ist die wahre Stärke der Platte, gießen Alpentines gleich mehrere Emotionen in ihre Songs. Der Opener „Take It Out“ beispielsweise erinnert mich stark an Minus The Bear. Kurz gesagt: der perfekte Song für einen sonnigen Tag im Freien. In eine ähnliche Kerbe, wenn auch etwas ruhiger, schlägt der Titeltrack „Silence Gone“. Ein ganz großer Genuss ist allerdings „Red“, der sich zunächst sanft, aber bestimmt hochschaukelt und dann in einem kleinen Soundgewitter kulminiert, nur um am Ende wieder sanft Richtung Boden zu sinken. Ein Träumchen.

Mit knapp 50 Minuten Spielzeit ist „Silence Gone“ eine gute Gelegenheit, sich an komplexe, aber nicht uferlose Musik heran zu tasten. Wer sich wirklich Zeit für die Scheibe nimmt, kann hier so manche neue musikalische Emotion entdecken. Alpentines machen Musik, die auf Schallplatte gehört werden sollte. Es ist also eine entsprechende Freude, dass nun nach dem CD-Release nun auch eine optisch und haptisch hochwertige Vinyl-Ausgabe in den Startlöchern steht. Unbedingt antesten!

[Take That Turn Records 2018]