Wir leben schon in komischen Zeiten. Die Straßen sind trotz bestem Wetter weitgehend menschenleer, und wenn sich Menschen dann doch mal begegnen, gehen sie sich wegen Nudeln, Klopapier und passierten Tomaten an die Gurgel. Während hier für viele bereits eine gewisse Dystopie durchschimmert, versuche ich die absurde Situation halbwegs gelassen und mit einer angemessenen Portion Humor zu nehmen. Soll heißen: den Alltag mit einem Soundtrack unterlegen. Und wer eignet sich dafür besser als Acht Eimer Hühnerherzen? Für den Fall, dass ihr das gleichnamige Debüt der Berliner*innen nicht auf dem Schirm haben solltet, gibt’s eine kleine Einordnung: Angesiedelt irgendwo zwischen Punk (im allerweitesten Sinne), Folk und Singer-Songwriter tanzt und knüppelt das Kreuzberger Trio munter drauf los, ohne dabei aber planlos zu wirken. Dem Ox Fanzine war das Ganze stellenweise zu infantil („Reim-dich-oder-ich-fress-dich“), einige andere sahen darin einen kleinen musikalischen Geniestreich. Das Online-Schmierblatt Trve Love zählt definitiv zu letzteren.

Eins gleich vorweg: Musikalisch viel geändert hat sich auf dem neuen Longplayer der Band, der den einprägsamen Namen „Album“ trägt, wahrlich nicht. Noch immer eine minimalistische Soundkulisse, deren Wirkung sich vielmehr durch die herrlich absurden, aber unterschwellig gehaltvollen Texte entfaltet. Insgesamt ist der Nachfolger des Debüts von 2018 ein bisschen weniger hitlastiger, man könnte fast sagen, dass die Hühnerherzen eine Spur ernster geworden sind und einen Tick weniger unbeschwert unterwegs sind. Nihilistische Black Metal-Attitüde in Folk-Gitarren-Version oder Corpsepaint wird man zum Glück nicht erwarten können, in einigen Momenten hört man dem Trio aber zweifelsohne eine gewisse Wut auf bestehende Verhältnisse an. „Gesellschaftstanz“, aber auch „Endlich fluchen“ sind hierfür großartige Beispiele und daher ist gerade letzteres einer meiner Favoriten der neuen Platte. Zeilen wie „Ich wär‘ gerne Feministin mit Tourette“ sind einfach großartig und sind gewissermaßen Acht Eimer Hühnerherzen in a nutshell. Ebenfalls hitverdächtig ist das bereits veröffentlichte „Somnambulismus“, welches nochmal eine ganze Spur eingängiger ist als die übrigen Songs des Albums. Wie beim Vorgängeralbum gilt aber: Lieber ein paar Durchläufe mehr als zu wenig, dann heben sich die Songs deutlich stärker voneinander ab. Aber bei einer Platte wie „Album“ fällt es ohnehin nicht schwer, den Repeat-Knopf einfach gedrückt zu lassen.

Acht Eimer Hühnerherzen gelingt auch auf ihrem zweiten Longplayer, was sie mit ihrem Debüt schnell aus der Geheimtipp-Ecke geholt hat: prägnante, musikalisch recht basal strukturierte Songs, die trotz (oder gerade wegen) der offensichtlichen Unbekümmertheit hinsichtlich Genrekonventionen hängen bleiben, nicht zuletzt wegen ihrer ungewöhnlichen Texte. Wer dem Trio bisher nichts abgewinnen konnte, wird vermutlich auch aus „Album“ nicht so recht schlau werden. Fans und jene, die unkonventioneller Musik im weitesten Sinne aufgeschlossen sind, haben hier eine Platte vor sich, zu der man locker ein paar Tage tanzend in der Quarantäne zubringen kann.

[Destiny Records 2020]