Einheitsfeier am 3. Oktober? Mitnichten! Die Ankündigung, dass Empowerment mit AYS und Oironie im Gepäck nach Berlin kommen würden, bot mir da eine deutlich bessere Alternative. Und das Beste: Stattfinden sollte das Ganze im Cassiopeia. Also nix wie hin da!
Ich schaffe es mit einem guten Timing zur Venue, um mir gerade noch ein Bier zu holen, da legen Oironie bereits gut los. Die Band aus Berlin-Hohenschönhausen spielen (Überraschung!) rumpeligen Streetpunk mit starkem Oi-Einschlag. Inhaltlich überraschen die Songs mit Themen wie Saufen oder Hass auf Techno, Lohnarbeit, Cops und Nazis natürlich nicht, Spaß macht’s aber trotzdem allemal. An der Authentizität lässt Sängerin Mia mit ihrer Berliner Schnauze indes keine Zweifel aufkommen: „Der nächste Song handelt von Hass auf Techno, und dit hass ick fast so sehr wie Lohnarbeit.“ Teile des bereits relativ großzähligen Publikums quittieren Ansagen wie diese mit begeisterten „Oi!“-Rufen, jedoch beschränkt sich die Crowd während des Sets weitgehend auf Kopfnicken. Ein bisschen schade, aber ein guter Einstieg ist Oironie dennoch zweifellos gelungen.
Die Düsseldorfer AYS haben von der ersten Sekunde an sichtlich Bock auf den Gig, besonders Sänger Schommer ist kaum zu halten und dreht bereits bei den ersten Riffs des Openers dermaßen auf, dass mir fast Angst und Bange wird. AYS drücken mit ihrem groovigen Hardcore von Anfang an auf’s Gaspedal und ich sehe mich mal wieder in meiner Einschätzung bestätigt, dass ich die Band live immer deutlich stärker fand als auf Platte. Ihre Live-Qualitäten überzeugen jedenfalls auch das Publikum, dessen Köpfe immer stärker zu nicken beginnen. Vorne toben sich sogar ein paar Propeller-Kids aus und vermitteln so das Gefühl einer zeitgenössischen Hardcore-Show. Besonders ältere Songs wie „Ambitions“ und „Suburban Haze“ bringt den kleinen, aber durchaus bewegungsfreudigen Personenkreis vor der Bühne zum Ausflippen. Mit der Stimmung wird’s also langsam.
Wie erwartet haben Empowerment nicht die geringsten Probleme, an diese Euphorie anzuknüpfen. Während „Mensch ist Mensch“ vom neuen Album „Bengalo“ als Opener eingespielt wird, heizt Sänger Jogges die Meute kräftig an und bereitet dieser mit seiner Band eine Show, die echt nicht von schlechten Eltern ist. Der dicke Hardcore der Stuttgarter bringt den leider nicht ganz vollen Raum des Cassiopeia ordentlich in Bewegung. Neben einer Zahl neuer Songs geben die Stuttgarter auch ältere Knaller wie „90er“ oder die beiden inoffiziellen schwäbischen Hardcore-Hymnen „Konflikt“ und „Stuttgart Asozial“ zum Besten. Und Empowerment wären nicht Empowerment, wenn politische Ansagen nicht nur in, sondern auch zwischen den Songs fehlen würden. Jogges beschwört an diesem Abend mehrfach die Wichtigkeit von Unity und sich gerade innerhalb der Szene eindeutig politisch zu positionieren. Allzu logisch und extrem erfreulich ist entsprechend die Zugabe: „Bullenschweine“ von Slime. Hier holt die Band nochmal alles aus dem Publikum heraus, und vom Hardcore-Bollo über Punks und Skinheads fliegen nicht nur alle Subkulturen durch die Luft, auch dürfen sie alle ans Mikrofon und die Zeilen der Deutschpunk-Hymne singen. So geht Unity auch ganz ohne Deutschland. Und besser kann man einen 3. Oktober in Deutschland wohl kaum verbringen.