© Screw The Carpet

Gefühlt quillt Berlin förmlich über mit irgendwelchen Electro-Acts und Indie-Hipster-Bands. Gerade für Nicht-Berliner*innen ist es schwer, kleinere Bands unter dem Radar zu erkennen. Screw The Carpet hingegen sind ein wunderbares Beispiel für eine kleine, aber florierende Szene junger und alter Rock-Bands in Berlin. Max hat sich mit der dreiköpfigen Band auf dem Klunkerkranich, einer Bar auf dem Dach eines Neuköllner Parkhauses, getroffen, und was soll man sagen? Die Jungs waren echt gesprächig, entsprechend lang ist das Interview geworden. Um den sehr persönlichen Charakter des Gesprächs authentisch zu vermitteln, haben wir uns bewusst dagegen entschieden, das Interview zu kürzen. Dafür liest es sich auch einfach zu gut!

 

Moin ihr drei. Schön, dass ihr euch die Zeit nehmt! Ich bin kein großer Freund von Vorstellungsrunden, aber da man zu euren Personen im Internet erstaunlich wenig findet…

Christoph: Hey, ich bin Christoph und spiele Bass. Ich mache das schon eine ganze Weile, und das in verschiedenen Berliner Bands. Jan und Juri habe ich schließlich über einen Auszubildenden namens Chris in meiner Firma, in der ich früher gearbeitet habe, kennengelernt. Zuerst habe ich mit Jan und Chris Musik gemacht, und als Chris durch seinen Umzug in eine andere Stadt ausschied, kam Juri dazu. So ist die Band in der heutigen Konstellation vor fünf Jahren entstanden.

Juri: Juri mein Name, ich spiele Gitarre und bin für den Gesang verantwortlich. Gitarre spiele ich schon seit etwa zehn Jahren. Angefangen hat es damit, dass ich die Gitarre meines Stiefvaters in die Hand genommen habe und Lieder der Ärzte geklampf habe. Jan kenne ich schon etwas länger als Christoph. Ich glaube, dass wir uns mal besoffen auf der Jannowitzbrücke in Berlin getroffen haben. Wir haben die ganze Nacht herumgealbert und sind schließlich in einem Laden gelandet, der voll mit Ufo-Fanatikern war. Die haben behauptet, sie hätten ein Raumschiff gebaut, weil der Untergang der Erde bald bevorstünde. Jedenfalls haben Jan und ich uns gut verstanden, ähnlich verhielt es sich mit der Band, die wir beide mit dem besagten Chris hatten. Im Grunde war das eine Saufkapelle, wir haben uns ein Mal in der Woche zum Proben getroffen, aber meistens wurde daraus eher ein Saufgelage. Ich bin dann für ein Jahr nach Holland und hatte mit Jan vereinbart, dass wir nach meiner Rückkehr ein ernsthafteres Bandprojekt verfolgen wollen. Und da wären wir nun.

Jan: Ich bin Jan und spiele Schlagzeug bei Screw The Carpet. Angefangen hat es bei mir mit der obligatorischen Frage meiner Eltern, ob ich denn ein Instrument spielen wolle. „Ja natürlich, Schlagzeug!“ war dann meine Antwort. Also haben meine Eltern mir so eine Schießbude für 200 Mark gekauft, die habe ich aber relativ schnell kaputtgedengelt. Das war die Initialzündung, denn anschließend habe ich das Spielen an einer Musikschule gelernt und dann auf DIY-Basis weiter gemacht. Der Rest war im Grunde so, wie es die beiden bereits erzählt haben. Wobei, um genau zu sein so: Ich habe die beiden eines Abends in die Kneipe bestellt und habe gesagt: „So, wir gründen jetzt eine Band.“ Zu Beginn gestaltete sich das etwas schwierig, denn da kam gewissermaßen ein Querschläger eines Kumpels, woraufhin Christoph uns ein Ultimatum gestellt hat: „Der oder ich!“ (lacht)

Juri: Und wir beide so: „Boah, zum Glück!“ (lacht)

Jan: Jedenfalls hat sich dann alles gut entwickelt und wir haben gemerkt, dass wir zusammen passen und eine Menge Spaß haben.

 

Eure neue Platte „Firecarpet“ ist seit 22. Juni zu haben, gebührend gefeiert habt ihr das Release im Tommyhaus mit Bechamel und The Restless Liver. Wie fühlt ihr euch?

Christoph: Sehr gut! Die Platte ist überall super angekommen. Die Party war super und die Songs haben sofort gezündet. Zudem waren viele Leute da, die man vielleicht eher nicht erwartet hätte.

Juri: Also ich muss sagen, dass mich nach der Show schon fast so etwas wie eine Leere überkommen hat. Wir haben ja echt lange an dem Album gearbeitet, alles in allem gut ein Jahr. Und nach der Release-Party ist dann ein wirklich langer Prozess mit einem Schlag vorbei. Ich fand diesen Umstand irgendwie merkwürdig und habe mich gefragt, wie es denn jetzt weitergeht. Müssen wir gleich eine neue Platte aufnehmen? (lacht)

Jan: Mir geht’s in dieser Hinsicht ähnlich. Uns ist eine gewisse Last von den Schultern gefallen, aber gleichzeitig hatte ich fast ein kleines Loch in der Seele. Aber mit Blick auf unser Songwriting müssen wir uns nicht wirklich Sorgen darüber machen, was als nächstes kommt. (lacht)

 

Das klingt auf jeden Fall beruhigend. Wie ist denn das Feedback für die Platte generell ausgefallen?

Juri: Wir haben da so ’ne Review gekriegt, die uns in höchsten Tönen gelobt hat. (die Band lacht) Aber im Ernst, das Feedback war durchweg gut. Tatsächlich auch für jene Stücke, die wir bereits vor Release gespielt haben.

Christoph: Wir haben für das Mastering und den Mix viel mit Probehören beschäftigt. Dafür haben wir in diversen Kneipen unsere eigene Vorproduktion angehört, nicht zuletzt auch deshalb, weil uns die Reaktionen der Leute interessiert haben.

Juri: Die Leute, die sich dann erkundigt haben, wessen Musik sie denn da gerade hören, waren dann total überrascht, dass die Songs noch nicht gemastert waren und die Platte erst in ein paar Monaten erscheinen sollte. Das war ziemlich cool.

Jan: Grundsätzlich bekommen wir für unsere Live-Auftritte ein ziemlich positives Feedback. Man spiegelt uns dann meistens, dass wir eine Ausstrahlung auf der Bühne haben, die unseren Spaß an der Musik authentisch zum Ausdruck bringt. Für die Platte ist das Feedback jetzt nicht unbedingt schlechter, aber eben anders, da man uns in diesem Fall „nur“ hört und nicht auf der Bühne ausflippen sieht. Wie gesagt, live finden uns die Leute immer super. Außer in Läden, in denen Ansagen kommen wie „Der Schlagzeuger möge doch leiser sein, denn gute Schlagzeuger könnten ja auch leise spielen“. (alle lachen)

Juri: Meine Lieblingsaussage war: „Das muss aber leise sein, sonst fallen mir die Frontscheiben raus.“ (alle lachen)

Christoph: Es kommt auch immer total darauf an, mit wem man über die Platte spricht. Nicht wenige, die uns ein Feedback zu „Firecarpet“ gegeben haben, sind selbst Musiker und machen auch selbst Recordings. Gerade bei der Art, wie ein Album abgemischt wird, scheiden sich die Geister. Will man das jetzt wie eine 70er Jahre-Platte oder eine aus dem Jahr 2010? In puncto Mastering und Mixing liegen da Welten dazwischen! Da ist Songwriting ein ganz anderes Thema, vielmehr geht es erstmal darum, wie man den Sound der Band technisch in Szene zu setzen weiß. Deswegen differenziere ich immer zwischen Kritik an der Produktion und jener für’s Songwriting. In Bezug auf letzteres fand noch niemand unsere Songs scheiße.

Juri: Zu mir meinte mal jemand, dass ein Solo ein wenig zu lang sei und ich das lieber auf die Hälfte  kürzen solle.

Christoph: So ein Scheiß. Wenn der wüsste, wie lange wir dieses Solo eingespielt haben. (lacht)

 

Jedenfalls hat sich dann alles gut entwickelt und wir haben gemerkt, dass wir zusammen passen und eine Menge Spaß haben.

 

Damit habt ihr eure Attribute schon ziemlich gut abgesteckt. Aber wie steht’s mit den Menschen außerhalb Berlins? Kommen die bald in den Genuss eurer Musik?

Juri: Klar, sie können sich jederzeit melden. (lacht) Wir versuchen tatsächlich immer wieder, aus der Stadt rauszukommen, was uns auch Stück für Stück gelingt. Weiter als Karlsruhe haben wir es allerdings noch nicht geschafft. Wir arbeiten gerade an weiteren Terminen für den Herbst. Wie so viele Bands machen wir das Booking sowie den ganzen Kram, der anfällt, selbst, und DIY-Bands gibt es ziemlich viele. Jede Menge geile Bands, die alle live im ganz Deutschland spielen wollen, aber dadurch eben auch eine gewisse Konkurrenz darstellen.

Christoph: Letztes Jahr waren wir in dieser Hinsicht auch nicht besonders aktiv, weil wir eben viel am Album gearbeitet haben. Im Vorjahr haben wir hingegen etwa 15 Gigs außerhalb Berlins gespielt, vor allem auf kleinen Festivals. Zudem haben wir mit einer Band aus Unterfranken getourt. Nee warte, Oberfranken! Das hätte fast Ärger für mich bedeutet.

Juri: Aus einer Stadt, die zentral zwischen mehreren internationalen Flughäfen liegt. (alle lachen) Und zwar Frankfurt, Prag, München und Berlin. (lacht)

Christoph: Kein Scheiß, das steht wirklich im Sidebanner, wenn du die Stadt googelst. Diese Beschreibung ist nicht falsch, aber du brauchst zum Pendeln definitiv einen Hubschrauber! (lacht)

Jan: Ich kann mich auf jeden Fall an ein ziemlich deutliches nonverbales Feedback erinnern. Wir haben mal in Kronach auf dem Stadtfest gespielt, vor sage und schreibe 500 zahlenden Gästen. Der Laden war proppenvoll, keiner wollte uns sehen oder uns zuhören. Vor der Bühne standen Bistro-Tische mit Salzstangen. Nichtsdestotrotz haben wir richtig hart auf die Kacke gehauen, teilweise dürfte sich das Publikum leicht beleidigt gefühlt haben. Alles in allem ist es etwas ausgeartet.

Juri: Am Ende haben wir noch die Würstchen aus der Küche geklaut. (lacht)

Jan: Und ’ne Kiste Bier.

Christoph: Den Rest behalten wir lieber für uns. (alle lachen) Das war alles in allem schon recht absurd. Der Heimweg war auch geil. Wir waren mit einem Ford Focus unterwegs, bumsvoll bis Oberkante war das Ding.

 

Was steckt hinter eurem Bandnamen?

Christoph: Da musst du mit Juri reden, er hat ihn vehement ein halbes Jahr verteidigt. (lacht)

Juri: Zunächst klingt der Name so richtig Banane. Mittlerweile nehmen wir die Musik schon ernster, aber gerade anfangs waren wir einfach drei Jungs, die tierisch Bock hatten, Rock-Musik zu machen. Diese Art von Musik ist ohne Frage auch echt klischeebehaftet: Sex, Drogen und sich immer wie der Geilste fühlen. Irgendwie fand ich das immer ein bisschen blöd, dennoch finde ich das Klischee bis heute witzig und spiele gerne damit. Gerade in unseren Texten treiben wir das gerne mal auf die Spitze und ziehen das Genre ein wenig durch den Kakao. Wir wollen Rock-Musik, die ihren Charme behält, ohne aber machohaft, dumm und prollig zu wirken. Entsprechend hat der Bandname eine ganz konkrete, aber auch viele lustig-unkonkrete Bedeutungen. Wir orientieren uns da grob an „The Big Lebowski“.

Jan: Oder eben unseren ersten gemeinsamen Proberaum, weil dort immer der Teppich herumgerutscht ist.

Juri: Stimmt, es geht da auch einfach um den Spaß am Unsinn per se. Mir war es zudem gerade am Anfang wichtig, dass wir eine „The“-Band sind, ohne jetzt komplett wie eine Kopie der ganzen Verdächtigen zu klingen. Deshalb der Zusatz „Screw“, zumal ich finde, dass das Wort gut klingt. Wie Christoph schon angedeutet hat, war es ein harter Kampf, denn er meinte immer: „Leute, der Name ist zu blöd, außerdem haben wir dann ‚Ficken‘ im Titel.“ (lacht) Ich kann seine Bedenken zum Teil nachvollziehen, aber ich bin absolut glücklich mit dem Namen.

Christoph: Jan und Juri hatten zum Zeitpunkt der Namensfindung noch nicht allzu viel Erfahrungen, was Live-Shows in Berlin angeht. Daher war meine größte Sorge, dass man uns dort aufgrund des Namens nicht auftreten lassen würde. Im Nachhinein war ich wohl etwas übervorsichtig, aber in linken Läden erlebt man teilweise die absurdesten Nummern.

Juri: Das stimmt natürlich. Wenn man sehr spitzfindig ist, könnte man Screw The Carpet auch irgendwie sexuell auslegen.

Christoph: Könnte auch echt ein Pornotitel sein. (lacht)

Juri: Der große Vorteil des Namens ist, wenn man ihn dann verstanden hat, dass man uns bei Google sofort findet und erst auf der letzten Google-Seite Videos von Leuten, die Teppiche festschrauben. (lacht) Unser erstes YouTube-Video war natürlich nicht von uns, aber dennoch echt witzig. Wir haben einfach eine zweistündige Handwerker-Doku verlinkt, in der ein Amerikaner seinen Teppichboden befestigt. Ein paar Trottel haben das wirklich angeklickt. (lacht)

Jan: „You better screw the carpet!“ (lacht) Aber im Ernst: Der Name verspricht nichts und hält auch nichts. So ähnlich sind wir auch unterwegs, wenn man versucht, unsere Musik in ein Genre zu pressen. Wir bedienen uns verschiedener Stilrichtungen, in jedem Song mal mehr, mal weniger. Das reicht dann von AC/DC bis zum Sechtolen-Stoner. Dennoch versuchen wir, eine gewisse Ernsthaftigkeit in unsere Musik zu bringen. Screw The Carpet ist eben nicht nur Witz, sondern auch ein Fingerhut Ernsthaftigkeit.

Juri: Das überlegen wir uns aber immer erst im Nachhinein. (lacht)

Christoph: Ich finde, dass Jan da schon einen Punkt hat. „Draining The Swamp“ ist quasi der Trump-kritische Song auf der Platte und hat eine klare Message. Dann gibt es noch „O.K.“, der von einer Frau handelt, die gerne ausgehen will, die Männer aber alle Lappen sind. Sie will eigentlich auf die Kacke hauen und Spaß haben, aber die Männer sind in ihren Einstellungen so klischeehaft und festgefahren, dass sie nicht wissen, was sie tun sollen. Wie auch dieser Song stammt vieles von Juri, er hat wirklich geniale Texte! Ich meine wer kann eine Line schlagen wie diese: „Never trust a hippie, they can’t buy you love“.

 

Ist das eine Anspielung auf NOFX oder war das doch eher unbewusst?

Juri: Nicht so richtig. Eigentlich spielt Christoph auf unseren Song „Can We Pay The Entry“ an. Der Song ist ein bisschen als Kritik an den großen Rock-Bands zu verstehen, von denen es viel zu viele seit viel zu langer Zeit gibt. Wir stellen uns die Frage, ob man an dieses Kaliber überhaupt noch herankommt. Dementsprechend besteht der ganze Text unseres Songs aus leicht abgewandelten Songzitaten bekannter Bands.

Christoph: Witzigerweise hat der Song seinen Ursprung in einer Bass-Line, die für mich nach ZZ Top klingen sollte. Was sie letztendlich auch tut. Zu meiner großen Freude hatte Juri ein Riff parat, was exakt dazu gepasst hat.

Jan: Man beachte die besonders geile Zeile „Livin‘ ain’t easy, in your case dying is hard“.

Juri: Das wiederum ist eine Referenz an ein großartiges Interview zwischen Stefan Raab und Angus Young. In diesem fragt Raab den AC/DC-Gitarristen, wie nochmal der Text zu „Highway To Hell“ lautet und es mit den Worten „It ain’t easy“ untermauert. Young schaut Raab in die Augen und sagt dann: „In your case it’s hard.“ (lacht) Du merkst also, dass wir mit den Klischees und den großen Genre-Helden spielen.

 

Unsere Band wurde mit dem Attribut „No-Jazz“ angekündigt, und der Veranstalter fragte mehrmals am Abend, was denn dieses „No-Jazz“ sei.

 

Wenn man nun versuchen müsste, eure Einflüsse in Bandnamen auszudrücken, welche wären das?

Christoph: Leute, ich habe gerade eine SMS von ’nem Kumpel bekommen. Zwei Scheiben verkauft! (Jubel und Gelächter)

Jan: Juhu! Aber gut, die stehen auch erst seit gestern im Laden, dann geht’s ja noch. Aber zurück zur Frage. Es gibt schon Klassiker, mit denen uns die Leute vergleichen: Queens of the Stone Age zum Beispiel, aber auch AC/DC, Airborne und Led Zeppelin.

Juri: Ich finde das kommt aber auch immer total darauf an, wer gerade unsere Musik hört. Es scheint nämlich jeder was anderes rauszuhören. Der eine hört mehr auf den Sound, der andere eher auf’s Songwriting. Und dann gibt es Menschen, die eher auf den Text hören. Manche halten uns sogar für Hair Metal, weil wir uns eine Zeit lang aus Scheiß blöde Klamotten und Perücken angezogen haben.

Jan: Wir haben schon mal ein Kompliment für eine „geile Glam Rock-Show“ bekommen.

Juri: „Besser als die Twisted Sisters“, aber eigentlich hat unsere Show überhaupt nichts damit zu tun. Oder die „Empfehlung“, wir könnten doch mal einen Kiss-Song covern, das sei genau unser Ding. What the fuck? Das assoziiere ich überhaupt nicht damit, aber okay. Das war mit ein Grund, warum wir mal aus Scheiß gesagt haben, unser Label sei No-Jazz, weil das am ehesten trifft, was wir machen, nämlich KEIN Jazz!

Jan: Naja, du spielst schon ab und zu 7er-Akkorde.

Juri: Ach komm, das hört doch keiner. (lacht) Bei Christoph zum Beispiel hört man auf jeden Fall krass viel Pearl Jam und auch Ska heraus.

Christoph: Naja, das liegt einfach daran, dass wir alle unterschiedlich musikalisch sozialisiert sind. War es bei Jan noch „No One Knows“, hat es bei mir mit Pearl Jams „Ten“ angefangen. Später habe ich zudem viel Ska gehört, The Specials und so was, natürlich auch Punk Rock wie beispielsweise D.O.A. Und Juri ist eben ein Led Zeppelin-Ultra. Kein Wunder, wenn dein Vater Blues-Musiker ist.

Jan: Wenn du einen Basser mit den Schwerpunkten Motörhead und Ska hast und ihn mit einem Drummer mit Grunge- und Punk Rock-Sozialisation sowie einem Gitarristen zusammenwirfst, der 70er-Kram mit modernen Stoner-Elementen kombiniert, kommt am Ende Screw The Carpet heraus. That’s it.

Christoph: Das ist natürlich auch die Kunst und gleichzeitig der Spaß daran, aus so einer Fülle von Genres etwas zu gießen. Da braucht’s im Proberaum schon mal klare Ansagen. Wir müssen uns sagen können, wenn ein Part für einen von uns null Sinn ergibt. Oder wenn aus der Schlagzeug-Ecke kommt: „Jungs, ihr müsst mal zählen, wenn ihr ein Riff baut!“ (alle lachen)

 

Die „No-Jazz“-Anekdote gefällt mir ziemlich gut und ist auf euren Online-Kanälen omnipräsent. Steckt da mehr als eine Genre-Bezeichnung dahinter?

Juri: Es klingt cool, sieht gut aus und ist ein Label, das so noch nicht auftaucht.

Christoph: Wobei das tatsächlich schon mal für Verwirrung gesorgt hat. Wir haben Anfang letzten Jahres in Wredenhagen gespielt, das ist so ein winziges Kaff an der Müritz. Den Gig fand in einer Kulturscheune statt und war wirklich in jeder Hinsicht skurril. Unsere Band wurde mit dem Attribut „No-Jazz“ angekündigt, und der Veranstalter fragte mehrmals am Abend, was denn dieses „No-Jazz“ sei. (lacht)

Jan: Wir kamen dort an und der Tontechniker wie auch der Veranstalter sagten zu uns: „Jungs, so wie ihr eure Mucke fahrt, wird das hier heute Abend nichts.“ (alle lachen) Wir haben uns dann entschieden, uns dem doch für uns eher ungewöhnlichen Publikum anzupassen und haben letztlich mit dem Tonmenschen einen echt geilen Sound hinbekommen. Auch wenn das bedeutete, dass wir den Sound echt drosseln mussten, weil die Backline viel zu laut war. Letztendlich wurden wir aber belohnt, weil die Leute zu unserer Musik gefeiert und getanzt haben. Das war echt ein schöner Moment.

Christoph: Die Leute waren 40 bis Mitte 60, haben Lacoste-Klamotten oder Abendkleider getragen und haben sich vorher gut Rotwein reingestellt. Ich dachte nur: „Wenn Juri jetzt in die Gitarre haut, dauert’s genau drei Minuten, bis der Laden leer ist.“ Aber es kam genau umgekehrt. Nach drei Minuten war die Tanzfläche voll! Wir haben zwei Sets gespielt und die Leute sind total ausgeflippt.

Jan: Der Veranstalter wollte dann, dass wir erst 30 bis 40 Minuten spielen und dann einer Dreiviertelstunde Pause nochmal eine Stunde zum Besten geben. Das bedeutete, dass wir jeden Song, den wir jemals geschrieben haben, hervorkramen mussten. Aber wir haben’s durchgezogen und waren an diesem Abend schlicht und ergreifend eine Tanzkapelle. (alle lachen)

Christoph: Der Hammer war allerdings mein komplett durchgeknalltes Froschkostüm mit dem dreieckigen Hut. Das Sahnehäubchen war ohne Frage der Typ, der nach der Show zu mir kam und mich fragte: „Sag mal, woher kennst du denn die örtliche traditionelle Kleidung?“ (großes Gelächter)

Juri: Das hast du gar nicht erzählt.

Christoph: Na klar hab ich das! Diese dreieckigen Hüte sind da wirklich so eine Art traditionelle Tracht, und ich sah natürlich aus wie der letzte Löffel.

 

Wir machen die Mucke eben wegen der Mucke, weil es Spaß macht.

 

Damit hat sich die Frage nach der lustigsten Band-Anekdote wohl schon erledigt.

Jan: Ach Quatsch, da kriegen wir auf jeden Fall noch eine hin! Mein Highlight war ohne Frage ein Konzert in einem Vorort von Eberswalde. Da haben wir in einer alten Papiermühle gespielt, in der in den 30er Jahren wohl die Reichsmark gedruckt wurde. Jedenfalls haben sich ein paar Hippies diesen riesigen Fabrik-Komplex zu eigen gemacht und dort ein Mal im Jahr eine Sommerparty veranstaltet. An dem Tag, an dem wir gespielt haben, war das Wetter echt beschissen, aber ich hatte die Hoffnung, dass in unserem Slot das Wetter umschlagen sollte.

Juri: Es hat unfassbar gekübelt und das war ein Open Air-Konzert, die Bühne war über einem Bach gebaut. (alle lachen) Wir hatten unsere Amps unter einer Plane in Sicherheit gebracht, waren aber trotzdem skeptisch. Es kann nicht besonders klug sein, einen Vollröhren-Marshall bei 100% Luftfeuchtigkeit zu benutzen. Aber das Wetter wurde tatsächlich besser, wir haben gespielt und die Leute sind völlig ausgerastet, obwohl die Fläche vor der Bühne eine einzige Schlammpfütze war.

Jan: Unsere besten Erfahrungen machen wir mit einem Publikum, das nicht genau weiß, was es tatsächlich erwartet. Und so war es auch an diesem Abend. Nach ungefähr der Hälfte unseres Sets war die Fläche vor der Bühne trocken getrampelt, irgendwann wurde es sogar staubig.

Juri: Ich erinnere mich aber auch gerne an das Soli-Konzert, was wir für die Freimeuter gespielt haben. Es gab da irgend so ein Piraten-Motto und die Veranstalter planten, eine Art Pseudo-Schlägerei vor der Bühne anzufangen. Sie hatten uns nicht in ihre Pläne eingeweiht und wir haben das nur über drei Ecken mitbekommen. Beim vorletzten Song haben vorne tatsächlich ein paar Leute angefangen, eine Schlägerei zu imitieren. Wir hatten das gar nicht mehr auf dem Schirm, und die Leute haben geglaubt, das sei eine echte Prügelei. Auf einmal sind massenhaft Leute nach vorne gestürmt, um die Keilerei aufzulösen. Wir waren etwas verwirrt, haben aber spontan einen Song angezählt und im nächsten Moment wurde aus der Schlägerei ein wunderschöner Pogo. (lacht)

Jan: Was ist mit dir, Christoph? Woran denkst du immer wieder zurück?

Christoph: Das ist gar nicht so leicht, aber diese eine Nacht in Kronach war schon echt legendär.

Jan: Ach komm, das war schon wirklich witzig.

Christoph: Boah Jan, aber wie wir es uns noch dreckig gegeben haben. Alter. (lacht) Sehr schön fand ich aber auch unseren ersten Gig in Leipzig. Unser Booker hat uns zum Essen eingeladen und uns nach allen Regeln der Kunst mit Rotwein abgefüllt. Wir waren wirklich bumsblau. Juri hatte wirklich Schwierigkeiten, sich auf den Füßen zu halten. Es gab zu unserem Entsetzen keine Vorband, wir mussten da alleine spielen. Wir haben’s geschafft, waren aber so unfassbar besoffen, dass eigentlich nichts funktioniert hat. Am Ende haben wir trotzdem zehn CDs verkauft und sollten noch Autogramme geben. Die Leute fanden es total geil, aber persönlich war es für uns echt eine Katastrophe. Wir haben danach eine Weile vor unseren Gigs nichts getrunken. (alle lachen)

Juri: Nicht zu vergessen das eine Mal, als einer von uns vor’s Bundesverfassungsgericht gepinkelt hat. (alle lachen)

Christoph: Wir nennen keine Namen!

Jan: Wenn man schon mal in Karlsruhe ist…

 

Ein wundervoller Abschluss. Ich kann dem nichts mehr hinzufügen, aber ihr vielleicht?

Christoph: Auf jeden Fall! Vielen Dank für deine Rezension und dein Engagement. Cool, dass es solche Leute gibt.

Jan: Aber hallo.

Juri: Eine Sache fällt mir noch ein: Du schreibst in deiner Review, dass du diesen DIY-Charakter cool findest, aber du den hart arbeitenden Bands auch mal den Support eines guten Labels wünschst. Das geht uns irgendwie ähnlich, gerade das Booking ist super schwierig. Aber, und das kann man bei uns ohne Zweifel sagen, wir machen die Mucke eben wegen der Mucke, weil es Spaß macht. Der Firlefanz drum herum ist cool, aber die Musik ist das Geilste. Das wäre mein Schlusswort.