© Yason Youngblood
Das Hamburger Indie-Label Audiolith kann neben einigen Rave-/Electro-Punk-Acts immer mehr Rap-Combos vorweisen. Einer, der aber in jeglicher Hinsicht heraussticht, ist der in Berlin lebende DiscoCtrl. Nachdem sein voriges Projekt Image Ctrl die Segel strich, führt der Rapper das Erbe seiner Crew würdevoll fort und hat neben einigen Singles bereits zwei EPs veröffentlicht. Vor allem für uns ist seine Musik schon länger ein Paradebeispiel, wie düster und tanzbar Rap klingen kann. Fast zeitgleich zu Audioliths 15. Geburtstag erscheint sein erster Longplayer „Midnight“ am 15. Juni. Max hat das zum Anlass genommen und mit dem Rapper vor seinem Auftritt auf dem „Fuck The Pullis“-Festival in Hamburg ein paar Worte gewechselt.
DiscoCtrl, danke, dass du dir Zeit vor/nach deinem Auftritt nimmst! Dein erstes Album „Midnight“ steht in den Startlöchern. Freust du dich?
Voll! Gerade auch, weil man immer noch lange auf den Releases herumsitzen muss, bevor sie die anderen zu hören bekommen. Aber ich freue mich riesig darauf, es bald auch anderen Leuten vorstellen zu können.
Was erwartet uns auf der neuen Platte?
Es sind 13 Tracks und zwei Instrumentals, den Großteil habe ich selbst produziert. Aber ich habe auch Production Features von Nangdo, yunis und Django36, mit dem ich schon relativ viel zusammen gemacht habe, auf der Platte. Die Grundstimmung ist auf jeden Fall melancholisch-düster und ziemlich Synthie-lastig. Zudem habe ich versucht, ein relativ geschlossenes Soundbild zu schaffen. Es sollte alles zusammen passen. Das soll die Leute natürlich nicht davon abhalten, sich bestimmte Tracks, die sie besonders geil finden, herauszupicken. Aber ich wollte auch, dass man „Midnight“ in einem Flow durchhören kann.
Ich hatte bereits das Vergnügen, in „Midnight“ reinzuhören. Ich finde die Scheibe zumindest musikalisch wesentlich weniger düster als beispielsweise „DUSK2“. Woran liegt das?
(lacht) Das ist krass. Ich habe gerade mit jemandem über das Album gesprochen und der war der Meinung, dass „Midnight“ nun richtig düster sei. Aber eigentlich würde ich dir zustimmen, denn in meinen Augen war „DUSK2“ ein regelrechter Sprung in den Abgrund. Ich wollte auf dem neuen Album ein wenig mehr Drive, Energie oder sogar Aggressionen haben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Mir hat die Produktion der Mixtapes und gerade „DUSK2“ richtig Spaß gemacht, aber andererseits war das atmosphärisch auch schon krass lebensverneinend. Entsprechend habe ich bei „Midnight“ versucht, wieder mehr positive Gefühle durchblicken zu lassen.
Das hört man in der Tat. Dein Lieblingssong auf „Midnight“?
Die Tracks, die ich selbst produziert habe, und das ist wie gesagt ein Großteil des Albums, bewerte ich grundsätzlich etwas anders als den Rest. Ich gehe mit meinem eigenen Kram einfach härter ins Gericht. Aktuell finde ich „Sticky“ immer noch sehr geil. „ABK“ gefällt mir ebenfalls sehr gut. Dieser Track ist eigentlich recht simpel, aber meine Idee, die Energie des Beats weiterzutragen, hat wunderbar funktioniert. Zudem sind die Raps eher einfach gehalten, was den Track auf eine coole Art ambivalent macht.
Du hast ja schon einen Teil deiner musikalischen Einflüsse angedeutet. Aber wer oder was ist für deinen Sound noch wichtig?
Alle sagen natürlich immer, dass sie ganz viel verschiedene Musik hören. Deswegen höre ich natürlich auch ganz viel verschiedene Musik (lacht). Aber im Ernst, was mich immer stark beeinflusst hat, sind Film-Soundtracks, besonders jene der Action- und Spannungsfilme der 90er Jahre. Terminator 2 ist ein gutes Beispiel. Zudem spielt Texas Rap für meine Musik eine wichtige Rolle, dieser hat einfach eine ganz eigene Atmosphäre, Flow und irgendwie etwas „Langgezogenes“ hat. An dieser Stelle seien das Label Swishahouse, Mike Jones und Paul Wall nochmal besonders hervorgehoben, diese Leute feier ich in puncto Rap richtig ab. Was mich gerade aber absolut fixiert, sind diese ganzen Synthesizer-lastigen Stücke der Band Survive aus Austin, die später auch den Soundtrack zur Netflix-Serie „Stranger Things“ zu verantworten hat. Bei der Produktion von „Midnight“ habe ich zudem viel instrumentale Musik wie Lorn gehört.
Sind diese Referenzen auch für deine Texte wichtig? Oder hast du da andere „Bezugsquellen“?
Ich versuche, mit DiscoCtrl relativ nah an der Realität zu bleiben. Entsprechend sind persönliche Erfahrung oder mein Umfeld maßgeblich für meine Texte verantwortlich. Es gibt aber definitiv Themen, auf denen ich immer wieder kleben bleibe und über die ich auch am liebsten rappe. Besonders Dissonanzgefühle, die dem kapitalistischen Alltag geschuldet sind, beschäftigen mich immer wieder. Es fühlt sich seltsam an, auf der einen Seite bestimmte Dinge oder Waren haben zu wollen oder zu müssen beziehungsweise Geld zu scheffeln, sich dann aber andererseits der Tatsache bewusst wird, wie sehr dieses System unsere Werte auf den Kopf stellt. Man freut sich, wenn man ein Gewinner des Systems ist, allerdings ist das schwierig, wenn man darüber nachdenkt, welche Konsequenzen dein eigener Erfolg für andere Menschen hat. Trotz dieses politischen Einschlags möchte ich, dass man meine Musik und ihre Atmosphäre auch einfach so mitnehmen kann, ohne sich durch bestimmte Themenkomplexe radikal konfrontiert zu fühlen. Ich will keine Redebeiträge auf Beats machen.
Bis heute finde ich mein musikalisches Schaffen und viel meiner Persönlichkeit in Image Ctrl.
Wenn man sich die Musikvideos zu deinen Tracks oder auch die Cover deiner Releases anguckt, fällt auf, dass du großen Wert auf die Ästhetik der 80er und 90er Jahre zu legen scheinst. Kommt das von deinen musikalischen Einflüssen oder hast du einfach ein Faible dafür?
Ein Faible habe ich definitiv. Als Kind habe ich viele Filme geguckt, mein Vater hat mich früher oft vor den Video-Player gesetzt, weil er arbeiten musste. Zudem habe ich echt viel Science Fiction- und Schundliteratur gelesen. Das hat sich offensichtlich zu meiner ästhetischen Basis gemausert, auf die ich immer wieder zurückkomme.
Du warst vorher im Kontext der Gruppe Image Ctrl aktiv. Warum hast du dich entschieden, unter DiscoCtrl weiterzumachen?
Der banale Grund ist eigentlich, dass sich Image Ctrl vor einigen Jahren aufgelöst hat. Das Projekt war absolut geil, ich liebe die Mucke nach wie vor und spiele viele Tracks auch immer noch live. Image Ctrl bestand aus sechs Leuten, und das machte es schwierig, immer alles unter einen Hut zu kriegen. Es gab kein Verlangen meinerseits, mich von der Musik zu distanzieren oder etwas komplett Neues zu starten, im Gegenteil. Ich hätte es unfair gefunden, unter dem Namen Image Ctrl weiterzumachen, da dieser ja der gesamten Crew zugeschrieben ist. Trotzdem musste ich das Projekt DiscoCtrl mit viel Arbeit aufziehen.
Gerade mit Blick auf den Namen war es dir offensichtlich wichtig, auf eine Kontinuität hinzuweisen, oder?
Voll. Mit dem Zusatz „Ctrl“ an meinen Namen Disco wollte ich klar machen, wo ich herkomme. Bis heute finde ich mein musikalisches Schaffen und viel meiner Persönlichkeit in Image Ctrl, daher sehe ich keinen Grund, das alles abzuschütteln.
Du hast sowohl in Deutschland als auch in den USA gelebt und in beiden Ländern die jeweilige Hip Hop-Kultur kennengelernt. Welchen Einfluss hatte beziehungsweise hat das auf deine Musik?
Texas Rap hat mich, wie bereits erwähnt, stark geprägt, besonders seine Free Style-Kultur. So habe ich im Grunde angefangen zu rappen: Herumsitzen, im Hintergrund Beats laufen lassen und jeder versucht einfach, möglichst viele Silben aneinander zu hängen. In Deutschland hingegen hatte ich dann meine prägendsten Live-Erfahrungen, als ich immer mehr mit linken Konzertgruppen durch das Land gezogen bin. Es ist beeindruckend, auf welch großartigen Weise linkspolitische Veranstaltungen mit musikalischem Schwerpunkt die Menschen verbinden und Netzwerke aufbaut. Das ist gerade für Menschen, die mit ihrer Musik noch ganz am Anfang stehen, eine große Hilfe.
Ein gutes Stichwort: Wenn du eine komplette Tour mit einer Audiolith-Band bzw. Gruppierung spielen könntest, für welche würdest du dich entscheiden?
Hm, das ist schwierig. Soundtechnisch finde ich Ira Atari richtig geil, ich bin ein totaler Italo-Disco-Fan (lacht). Aber auch Johnny Mauser hat es mir angetan, seit ich auf seiner letzten Platte mitproduziert habe. Ich persönlich finde aber nicht so entscheidend, mit wem du auf Tour gehst, sondern was das Publikum am geilsten findet. Und gerade in Sachen Rap hat Audiolith eine gute Auswahl an Acts.
Das wird sich heute Abend ohne Frage wieder bestätigen. Ich danke dir für deine Zeit, wir sehen uns später!
Cool! Vielen Dank für dein Interesse!